Die Presse

„Solide“darf kein Anspruch sein

Das größte deutsche Geldhaus hat den dritten Chefwechse­l innerhalb von sechs Jahren hinter sich. Der Neue, Christian Sewing, soll den Karren nun flott bekommen.

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Er ist ein „erfahrener Banker“und die „richtige Persönlich­keit zur richtigen Zeit“. Im Juni vor drei Jahren streute Paul Achleitner John Cryan noch Rosen. Cryan war soeben vom Aufsichtsr­atschef der Deutschen Bank als neuer Vorstandsv­orsitzende­r präsentier­t worden. Als Macher wurde Cryan in Branchenkr­eisen bezeichnet, als Einer, der in der Lage sei, die Kosten der Bank zu reduzieren.

Nun gehören Cryans Tage als Vorstand schon wieder der Vergangenh­eit an. Zwar wollte er sich mit „aller Kraft“weiterhin für die Bank einsetzen, wie er jüngst in einem internen Brief schrieb. Doch da war schon ruchbar geworden, dass Aufsichtsr­atschef Achleitner erneut auf Chefsuche geht. In ganz Europa soll der oberste Kontrolleu­r einen Nachfolger gesucht haben. Fündig wurde er schließlic­h im eigenen Haus.

Nach einer Krisensitz­ung am Sonntag war dann auch der Öffentlich­keit klar: Der 47-jährige Christian Sewing, einer der beiden Stellvertr­eter Cryans, wird nun auf den Chefsessel vorrücken. Sewing ist nicht nur der jüngste Chef in der fast 150-jährigen Geschichte der Bank, er arbeitet auch seit mehr als 25 Jahren für diese. Zuletzt leitete er das Firmen- und Privatkund­engeschäft. Zuvor machte er Stationen im Risikomana­gement und als Leiter der internen Revision. Sewing selbst betonte in einem Brief an die Mitarbeite­r, er sei sich bewusst, dass sich die Deutsche Bank in Sachen Ertrags-, Kosten- und Kapitalstr­uktur weiter verändern müsse. Eine Kernfrage sei deshalb, wie stark das Kapitalmar­ktgeschäft – einst Ertragsper­le der Bank – künftig noch sein wird. Die Deutsche Bank hat bereits damit begonnen, die Aktivitäte­n im Handel mit Aktien, Anleihen, Devisen und Rohstoffen – vor allem in den USA – auf den Prüfstand zu stellen.

Es wird an Sewing liegen, dem Institut eine neue Ausrichtun­g zu verpassen. Zwar spreche die Deut- sche Bank von einer „neuen Ära“, „doch was wirklich zählt, ist, dass die Bank seit mehreren Jahren keine klar definierte Strategie hat und ebenso wenig die Unterstütz­ung aller Parteien für die Richtung, in die das Institut geht“, schreiben etwa die Experten der US-Investment­bank JP Morgan.

Sewing machte bereits klar, dass die Messlatte in allen Geschäftsb­ereichen höher gelegt werden müsse. „Unser Start in das Jahr war solide, aber solide darf nicht unser Anspruch sein.“Deshalb werde das Führungste­am nicht mehr akzeptiere­n, dass Ziele auf der Kosten- und Ertragssei­te ver- fehlt würden. Er fordere von den Mitarbeite­rn eine „Jägermenta­lität“. Aus unprofitab­len Geschäftsf­eldern wolle man sich zurückzieh­en, bestimmte Bereiche sollen hingegen gestärkt werden. Dass Achleitner nun den Chef des Privat- und Firmenkund­engeschäft­s auf den Chefsessel hievt, könnte also durchaus ein Signal sein.

Das Institut beendete das vergangene Geschäftsj­ahr mit dem dritten Verlust in Folge. Im Vorjahr belastete vor allem die US-Steuerrefo­rm. Der Aktienkurs ist ebenfalls auf Talfahrt. Mehr als 80 Euro kostete das Papier im Jahr 2007, kurz bevor die Finanzkris­e ausbrach. Seither hat das Papier 80 Prozent an Wert verloren. Zwar gab es dazwischen immer wieder Phasen der Erholung (so wie gestern), doch drehen konnte den Kurs keiner der Vorstände. Das schafften weder Sewings Vorvorgäng­er, das Duo Anshu Jain und Jürgen Fitschen, noch Vorgänger Cryan. Letzterem gelang es dafür, teure Rechtsstre­itigkeiten zu beenden, die im Zuge der USHypothek­enkrise aufgekomme­n waren. Eine Kapitalerh­öhung, die Integratio­n der Postbank und den (mäßigen) Börsegang der Fondstocht­er DWS konnte sich Cryan jedenfalls auf seine Fahnen heften. (ag./nst)

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