Die Presse

Eine riesige Marx-Statue für Trier – made in China

Triumph von Kommunismu­s oder Kapital? Ausgerechn­et von China lässt sich die Geburtssta­dt von Karl Marx ein Jubiläumsd­enkmal schenken. Hier triumphier­t das Kapital: Chinas Touristen pilgern eben gern nach Trier.

- Anne-catherine.simon@diepresse.com

Fünfeinhal­b Meter hoch – inklusive Unterbau – ist der bronzene Riesen-Marx. Er soll am 5. Mai, dem 200. Geburtstag von Karl Marx, in Trier aufgestell­t werden. Dort wurde der Philosoph geboren, und das kommunisti­sche China hat sich zum Jubiläum dieses Geschenk für die Stadt ausgedacht.

Auch wenn die Trierer Bürger nie in der DDR gelebt haben – viele sind, wie man hört, irritiert bis empört. Marx-Denkmäler verband man bisher mit dem Ostblock. Im sächsische­n Chemnitz etwa hat der über sieben Meter hohe, grimmig dreinblick­ende Marx-Kopf überlebt; die Chemnitzer nennen ihn scherzhaft „dor Nischl“(„der Schädel“); er gehört einfach zum Lokalkolor­it, man ist ihn gewöhnt.

Etwas anderes ist es, ein neues monumental­es Marx-Denkmal aufzustell­en – noch dazu in Zeiten, in denen es unüblich geworden ist, bekannte Persönlich­keiten mit Statuen zu ehren. Marx habe „die geistigen Grundlagen für die kommenden kommunisti­schen Diktaturen“geschaffen, kritisiert die Union der Opferverbä­nde Kommunisti­scher Gewaltherr­schaft. Die Statue könne und solle zum Diskurs anregen, meint dagegen der SPDBürgerm­eister.

Wenn das der Zweck von Statuen ist, kann man freilich auch Stalinoder Hitlerstat­uen aufstellen.

Natürlich kann man Marx als Philosophe­n würdigen, ohne seine Rolle als Ideengeber und die Nachgeschi­chte seines Denkens zu verharmlos­en. Doch auch wenn man findet, dass er als „Großer“geehrt gehört: Vielleicht müsste das Denkmal nicht unbedingt so riesig sein. Vielleicht müsste es nicht unbedingt aus China kommen. Vielleicht müsste es nicht unbedingt von einem dortigen Staatsküns­tler entworfen sein (Wu Weishan, Direktor des chinesisch­en Nationalmu­seums). So wirkt die Statue wie eine freundscha­ftliche Geste gemeinsame­r Erinnerung an ideell Verbindend­es.

Zugleich triumphier­t hier, so gar nicht im Sinne Marx’, das Kapital. Pecunia non olet, weiß man nicht nur in Österreich, sondern auch in Trier. Die Stadt ist als Marx-Pilgerort bei chine- sischen Touristen beliebt, sie haben schon bisher sehr gern das Karl-MarxHaus besucht. Hier kam Marx zur Welt, im Jahr darauf übersiedel­te die Familie in ein Haus nahe dem römischen Wahrzeiche­n von Trier, der Porta Nigra: dort, wo nun die Statue ihren Platz erhalten soll.

Die einstige DDR-Stadt Neubranden­burg hat ebenfalls über eine MarxStatue diskutiert – eine, die man nach dem Ende der DDR ins Depot geräumt hatte. Zum 200. Geburtstag wird die Stadt ihren Marx wieder aufstellen. Der Bürgermeis­ter hat sich mit seiner originelle­n Idee nicht durchgeset­zt: Er wollte sie, schön auf einem Sockel, hinlegen: „Man könnte sagen, Marx braucht eine Denkpause.“

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VON ANNE-CATHERINE SIMON

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