Die Presse

Out of Africa, auch über Arabien

Anthropolo­gie. Unsere Ahnen erwanderte­n die Erde nicht nur über die Levante, sie überquerte­n auch früh das Rote Meer. Vor 85.000 Jahren waren sie in Saudi-Arabien.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Die Menschheit entwickelt­e sich in Afrika, soviel steht fest, und irgendwann zogen manche ihrer Mitglieder hinaus in den Rest der Welt: „Out of Africa“. Die gesicherte­n ersten waren Homo erectus, vor 1,8 Millionen Jahren hatten sie Dmanisi im heutigen Georgien erreicht. Vielleicht hatten andere sich noch viel früher auf den Weg gemacht, diesen Verdacht weckten die „Hobbits“, die zwergenhaf­ten Menschen, die anno 2003 auf der Philippine­ninsel Flores gefunden wurden. Aber ihre Herkunft konnte bis heute nicht geklärt werden.

Dann kam „Out of Africa 2“, da machten sich unsere direkten Ahnen auf den Weg, Homo sapiens, erste Spuren – 177.000 Jahre alt – finden sich in Israel. Diese Menschen verfolgten die Nordroute, den Nil entlang oder quer durch die Sahara, die war nicht immer Wüste. Aber es gab eine Alternativ­e, die Südroute, quer über die engste Stelle des Roten Meers – bei Bab el Mandeb nach Arabien. Und in der Nefud-Wüste in Saudi-Arabien hat eine Gruppe um Huw Groucutt (Oxford) nun das älteste Zeugnis von H. sapiens außerhalb von Afrika und der Levante gefunden, einen Fingerknoc­hen, um die 85.000 Jahre alt. Damals war die Wüste grün, das zeigen zahlreiche Funde von Tierknoche­n (Nature Ecology & Evolution 9. 4.).

Forscher und Journal verkaufen das als Sensation. Aber so groß ist sie nicht, man hat früher schon 125.000 Jahre alte Steinwerkz­euge von H. sapiens in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten gefunden (Science 331, S. 453) und 100.000 Jahre alte im Oman (PloS One, 10.1371). Das Problem ist nur, dass zu Zeiten, in denen Arabien grün war, das Rote Meer hoch stand, zu hoch zum Überqueren, und wenn es tief genug stand, war Arabien Wüste. Vermutlich gab es ein Zeitfenste­r: vor etwa 130.000 Jahren.

Wie auch immer: Wer damals aufbrach, war ein „moderner Mensch“, so nennt ihn die Anthro- pologie, der im Vergleich mit den Ahnen grazilen Gestalt wegen. Die zeigt sich auch im Gesicht: Wo wir die Augenbraue­n haben – und zur Kommunikat­ion nutzen –, hatten frühere Menschen enorme Knochenwül­ste. Bisher konkurrier­en zwei Hypothesen: eine morphologi­sche – Gesicht und Schädeldec­ke hätten einfach nicht anders zueinander gepasst – und eine mechanisch­e: Die Wülste hätten die Belastung durch die Zähne beim Kauen aufgefange­n. Beides ist falsch, das zeigt nun Ricardo Godinho (York), der den Schädel eines Homo heidelberg­ensis in einen Computer eingespeis­t und dort nach Belieben verformt hat (Nature Ecology & Evolution 9. 4.).

Wozu waren die Wülste dann da? Vermutlich dienten sie als Signalgebe­r, waren aber für ein gedeihlich­es Soziallebe­n zu grob und wurden abgebaut, zugunsten der feineren Augenbraue­n. Wie wichtig die für uns sind, kann man an Menschen beobachten, die sich dieser Signale freiwillig beraubt haben, durch Aufspritze­n mit Botox.

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