Dieses Jazz-Trio will Gegensätze vereinen
Der 36-jährige israelische Jazzpianist Yaron Herman erforschte mit seinem Trio im Konzerthaus musikalisch die Bedeutungsebenen des Y.
Zur Freiheit des Jazz gehört auch, dass die Zuhörer zuweilen völlig allein gelassen werden. Ganz abenteuerlich wird es, wenn der Künstler nicht einmal Titel für’s Assoziationsspiel bereitstellt. Wie Yaron Herman, israelischer Pianist mit Wohnsitz in Frankreich, der seinen Wiener Fans keine Lust am Wiedererkennen gönnen wollte. Zwar kursierte vor dem Auftritt seines aufregenden Trios eine Setlist mit so klingenden Titeln wie „Shadow Walk“, „Yiddish“und „Just Being“. Während des Konzerts gab Herman in einer kurzen Ansprache aber vor, die Titel vergessen zu haben oder geheim halten zu wollen.
Ein gewiefter Zug, wo doch das unschuldige Hören durch Formatradios und Dauerbeschallung gefährdet ist. Die laut Liste den Abend eröffnende Komposition „Just Being“war somit programmatisch: Dieses Trio will die Hörer in den tief erlebten Augenblick führen, ohne Hoffen auf Kommendes, ohne Bedauern über Früheres. Einfach in der Gegenwart hören und leben: eine kleine Utopie in Zeiten, in denen es Usus ist, alle zwei Minuten das Handydisplay zu beäugen.
Die drei Herren, darunter der fabelhafte Bassist Sam Minaie, der mit singenden Linien für Soulfulness der höchsten Ordnung sorgte, hatten Notationen herumliegen, an die sie sich auch manchmal hielten. Die Improvisation passiert in diesem Trio sehr behutsam. Die Balance zwischen Komponiertem und spontan Ersonnenem ist stets erfrischend labil. Besonders eindringlich, ja beinah gespenstisch, war das Stegreifspiel rund um das elektronisch zugespielte, steinalte, jiddische Lied „Fun groys dasad leyg ikh zikh shlofn“(„Voller Kummer leg ich mich schlafen“). Es stammt aus dem Ruth Rubin Archive, einer Sammlung von etwa 2000 Songs, die Rubin jüdischen Auswanderern in Interviews aus dem Gedächtnis kitzelte.
Aber auch in den vielen Momenten der unerschrockenen Selbstauslotung konnten Herman, Minaie und der Trommler Ziv Ravitz rühren. Das Naive hatte zeitweilig komplexe Anmutung, im Melancholischen erblühten Momente jäher Freude. Auch die gewohnte Dichotomie zwischen Verstand und Gemüt scheint in dieser Musikerkonstellation nicht zu greifen. Das Y des Namens Yaron steht, wie Herman in Interviews gern sagt, für die Synthese von Gegensätzen, aber auch für Teilung. Dass beides gleichzeitig möglich wäre, veranschaulichte dieser Abend eindringlich.