Ben Stillers etwas andere Midlife-Crisis
„Im Zweifel glücklich“, derzeit im Kino, zeigt einen Endvierziger, der (fast) alles hat. Und mehr zu verdienen meint.
Brad (Ben Stiller) hat gewartet, bis sein Sohn eingeschlafen ist. Dann ist er nochmal raus und hat die Frau aufgesucht, die er zuvor kennengelernt hat. Eine junge, idealistische und politisch engagierte Freundin seines Sprösslings, mit dem er gerade in Boston ist, um ihn auf seiner Suche nach einer Universität zu unterstützen. Er verfolgt keine amourösen oder sexuellen Absichten. Er möchte der Studentin nur seine Lebensgeschichte erzählen. Ihr mitteilen, dass es ihm momentan schlechter geht, als er sich eigentlich fühlen dürfte. Denn seine Ehe ist stabil. Sein Sohn ist zu einem freundlichen jungen Mann mit musikalischem Talent herangewachsen. Er wohnt in einem schönen, großen Haus an der Westküste. Muss keine Armut, keinen Hunger, keine Abschiebung befürchten. Und dennoch ist da vor Kurzem irgendeine Bildermaschine in seinem Kopf angesprungen. Unentwegt malt er sich das Leben seiner reich und berühmt gewordenen Collegefreunde von früher aus. Hätte er denselben Erfolg haben können wie sie, wenn er damals nicht so ein Träumer gewesen wäre?
Die Studentin reagiert mit Unverständnis. Das seien doch alles nur belanglose Erste-Welt-Problemchen. Dabei besteht das Dilemma von Brad genau darin, sich vollkommen darüber im Klaren zu sein, wie banal und ungerechtfertigt sein Kummer ist, ihn aber trotzdem zu empfinden. Deswegen ist „Im Zweifel glücklich“weit mehr als eine weitere 08/15-Variation des Topos vom frustrierten Endvierziger. Regisseur Mike White verschafft einen tiefen und differenzierten Einblick in die Psyche eines Mannes, der eben nicht zum fremd gehenden Schwerenöter, selbstgerechten Zyniker oder Dauerpessimisten mutiert.
Der eine Non-Profit-Organisation leitende Brad ist wortgewandt und selbstreflektiert genug, um seinen Zustand in langen Voiceover-Monologen beschreiben und analysieren zu können. Man kann darin auch den melancholischen Gefühlszustand erkennen, der sich aus dem abgeflauten Optimismus der „Yes We Can“-Obama-Ära ergeben hat. Immerhin: Sein Sohn und seine Freunde, die um die Jahrtausendwende herum geborenen Millennials, wirken stabil und unverbraucht genug, um das inzwischen liegen gelassene Erbe wieder aufzunehmen. Auch wenn sie bis dahin einem anständigen Kerl wie Brad aufmerksamer und sensibler zuhören sollten.