Kabale, Liebe und ein Hauch von Song Contest
Oper Graz. Es ist nicht leicht, Rossinis „Viaggio a Reims“kurzweilig zu inszenieren. Bernd Mottl gelang es.
Eine etwas wirre Geschichte samt einer Handlung, die man in einem Satz zusammenfassen könnte – und dann wieder doch nicht. Zahlreiche Liebesdreiecke, Intrigen und Schmerz, aber am Ende wird alles wieder gut: Das ist „Il viaggio a Reims“von Gioachino Rossini, jenes Dramma giocoso, in dem die Reise einer Gruppe mondäner Herrschaften verschiedener Nationalitäten zur Krönung Karls des Zehnten im Hotel „Zur Goldenen Lilie“unterbrochen wird, weil sich keine Kutschenpferde für die Weiterfahrt auftreiben lassen.
Es ist kein leichtes Unterfangen für einen Regisseur, diese ungewöhnliche Oper spannend und mitreißend zu inszenieren, denn die Handlung stagniert oft und lässt kaum Dramatik aufkommen. Überdies sind die Gesangsnummern sogar für den Rossini’schen Stil ausschweifend, arbeiten mit ausgiebigen Wiederholungen.
Die neue Grazer Inszenierung Bernd Mottls im Bühnenbild Friedrich Eggerts schafft es, dem Stück viel an Spannung, Spaß und Komik abzugewinnen, ohne in Klamauk abzugleiten. Mit musikalischem Verständnis brachte das Team eine sachte Modernisierung samt jazzigen Tanznummern auf die Bühne.
Im Original findet zwischen den Gästen des Hotels ein kleiner Gesangswettbewerb als Zeitvertreib statt, was Mottl damit erklärt, dass die Gäste Sänger sind – man kann sie zu Beginn des Abends beim „Einsingen“beobachten. Auch durchzieht das Thema Europa und Europäische Union den Abend: Es werden Flaggen geschwenkt, bunte Partyhüte und Schärpen getragen und Wimpel gewedelt; im Finale – samt Konfettikanone – fühlt man sich ein bisschen wie beim Eurovision Song Contest.
Erwähnenswert die Kostüme von Alfred Mayerhofer: Jedes für sich ist nicht nur fashionable, sondern unterstreicht die Charaktere der 16 Gesangssolisten, von denen 14 aus dem Hausensemble stammen. Dazu der Chor, die Statisterie – das Haus vibrierte vor Energie und Spielfreude.
Herausragend Wilfried Zelinka, der der Arie des Don Profondo Witz und Charme verlieh, und Elena Galitskaya, die als Contessa di Folleville mit sauberen Koloraturen und liebenswert durchgeknallt um ihre Garderobe trauerte, sowie als griechisch-römische Göttin Tetiana Miyus, die in ihren lyrischen Arien zauberhafte Melancholie verströmte. Im Geplänkel mit Milosˇ Bulajic´ (Conte di Libenskof ) begeisterte Anna Brull als divenhafte Marchesa Melibea. Großen Applaus gab es für Peter Kellers Arie des Lord Sidney, wie für Sonja Sariˇc,´ die sich mit einem waschechten Jodler in die Herzen der Grazer sang. Dem Grazer Philharmonischen Orchester gelang es unter der Leitung der Chefdirigentin, Oksana Lyniv, die musikalische Ironie Rossinis ins Zentrum zu rücken. Auch wenn manche Tempi etwas zu vorsichtig gewählt schienen, brillierte das Orchester speziell in den lyrisch-belcantesken Passagen.
Ein kurzweiliger Opernabend, der beispielhaft vorführt, wie man möglichst viel aus einer etwas seichten Oper herausholt. Das Grazer Publikum dankte es mit tosendem Applaus für alle Mitwirkenden.