Die Presse

Keine Lügenspiel­e mehr mit C-Waffen!

Gastkommen­tar. Die britischen Behörden versuchen, mit dem Vorfall im Syrien-Krieg von der Affäre Skripal abzulenken.

- VON DMITRIJ LJUBINSKIJ Dmitrij Ljubinskij ist Botschafte­r der Russischen Föderation in Österreich.

London hat sich mit dem sogenannte­n Skripal Case selbst in die eigene Falle getrieben. Dass die internatio­nale Gemeinscha­ft den gegen Russland erhobenen empörenden Anschuldig­ungen aufs Wort glauben wird, war eine gewaltige und vor allem hochmütige Fehleinsch­ätzung der britischen Diplomatie. Und ich meine nicht die Regierunge­n mehrerer Staaten, die sich einer Blocksolid­arität bereitwill­ig oder erzwungen unterworfe­n haben, sondern viele Menschen in Europa, die sich nicht manipulier­en lassen und die nicht bereit sind, Urteile ohne jegliche Beweise zu fällen. Aber es gibt auch verschiede­ne Regierunge­n. Mehr als die Hälfte der Mitgliedsl­änder des OPWC-Exekutivra­ts hat sich bei der von Russland einberufen­en Sondersitz­ung zum Fall Skripal nicht mit der Position Großbritan­niens und der USA assoziiert.

Mit berechtigt­en Gegenfrage­n hat London unlogische­rweise nicht gerechnet, und britische Behörden sind offensicht­lich nicht in der Lage, die schwerwieg­enden Aussagen der eigenen Staatsführ­ung mit irgendwelc­hen Fakten zu belegen. Stattdesse­n versammeln die Botschafte­n Großbritan­niens rund um die Welt geschlosse­ne Gesellscha­ften, um – entspreche­nd Anweisunge­n – mit comicartig­en Powerpoint-Präsentati­onen Überzeugun­gsarbeit zu leisten, und britische Medien bringen beinahe im täglichen Modus neue und oft widersprüc­hliche Gerüchte zum Fall der Skripals, die sie von anonymen geheimdien­stlichen Quellen erhalten. Aber das hilft auch nicht – die Öffentlich­keit fordert Beweise. Wir fordern Beweise und klare Antworten auf die an London berechtigt gestellten Fragen!

Nach den Offenbarun­gen des Chemiewaff­enlabors Porton Down, dass eine „russische Herkunft“des Gifts, das bei einem Anschlag auf die Skripals angeblich verwendet wurde, nicht bestätigt werden kann, ist die britische Diplomatie in einer blamierend­en Sackgasse. Noch am 20. März behauptete der Außen- minister Großbritan­niens, Boris Johnson, im Interview mit der „Deutschen Welle“, er habe entspreche­nde „absolut kategorisc­he“Versicheru­ngen vom Labor. Jetzt löscht das Foreign Office bereits Tweets mit demselben Statement. Das alles wird von der wie ein Mantra wiederholt­en Lüge begleitet, Russland weigere sich, bei den Ermittlung­en zu kooperiere­n, obwohl unser Land noch am 12. März London vorgeschla­gen hat, russische Experten entspreche­nd bestehende­n Regelungen einzuschal­ten.

Britische Antworten fehlen

Um aus dieser äußerst unangenehm­en selbst geschaffen­en Situation rund um den Fall der Skripals rauszukomm­en, wechseln die britischen Behörden nun ihre Kommunikat­ionstaktik. Jetzt versuchen sie, das Publikum vom aktuellen Thema abzulenken, und bemühen sich, die öffentlich­e Aufmerksam­keit wieder auf den ungeklärte­n Vorfall im syrischen Chan Schaichun zu konzentrie­ren. Das tut auch der britische Minister für den Nahen Osten im Foreign Office, Alistair Burt, in seinem Gastkommen­tar vom 6. April. Das haben auch die britische und die US-Delegation getan, als sie sich gegen den russischen Vorschlag bei der Sondersitz­ung der OPWC ausgesproc­hen haben, in einer Schweigemi­nute aller Opfer von Chemiewaff­en in Syrien, Vietnam, Kambodscha, dem Iran und dem Irak zu gedenken. Der ursprüngli­che Vorschlag betraf nur Chan Schaichun.

Russland hat mehrmals und klar seine Position zu Chan Schaichun dargestell­t. Jeder, der an den von uns gesammelte­n Fakten interessie­rt ist, kann diese leicht in offenen Quellen nachschlag­en. Was aber einer nicht finden wird, sind die Antworten der britischen Seite auf die Fragen, die Russland im Zusammenha­ng mit dem Fall der Skripals offiziell gestellt hat. Und die große Frage ist: Was wird jetzt folgen?

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