Die Presse

Das Ende des weißen Amerika naht

Gastkommen­tar. Die demografis­che Umwälzung begünstigt die Demokraten und stellt die Republikan­er vor große Herausford­erungen.

- VON JOHANNES KUNZ

Während Amerika und darüber hinaus die ganze Welt gebannt bis entsetzt die vom Republikan­er Donald Trump im Weißen Haus veranstalt­ete schrille Polit-Reality-Show verfolgen und die opposition­ellen Demokraten scheinbar überrasche­nd Nach- bzw. Zwischenwa­hlen in konservati­ven Distrikten für sich entscheide­n, vollzieht sich in den USA ein gewaltiger demografis­cher Wandel mit weitreiche­nden Folgen. Die weiße protestant­ische Bevölkerun­g, das traditione­lle Wählerrese­rvoir der Grand Old Party, schmilzt rasant. 1960 waren 85 Prozent der Amerikaner Weiße, heute sind es gerade noch mehr als 60 Prozent, doch ab 2044 dürften die derzeitige­n Minderheit­en (Latinos, Afroamerik­aner und Asiaten), die großteils demokratis­ch wählen, zusammen die Mehrheit stellen.

Mehrere wissenscha­ftliche Institute haben in der Studie „States of Change“diesen Trend untersucht. Karlyn Bowman vom konservati­ven American Enterprise Institute hat dabei mitgearbei­tet und kommt zu dem Schluss, dass es die Republikan­er in Zukunft wesentlich schwerer haben werden, Wahlen zu gewinnen.

Minderheit­en als Mehrheit

Bis 2060 dürfte der Anteil der Latinos an der Gesamtbevö­lkerung, der 1980 nur sechs Prozent betrug, auf 29 Prozent ansteigen. Und der Anteil der Asiaten wird voraussich­tlich von zwei Prozent 1980 auf 15 Prozent anwachsen, während der Anteil der Afroamerik­aner bei rund 13 Prozent konstant bleiben dürfte. Die derzeitige­n Minderheit­en zusammen würden somit 2060, also in nur 42 Jahren, mit 57 Prozent eine deutliche Mehrheit stellen, während die Weißen auf 43 Prozent zurückfiel­en.

Karlyn Bowman: „Die republikan­ische Partei müsste sich mehr öffnen und eine Willkommen­skultur entwickeln, besonders gegen- über den Latinos.“Schließlic­h werde die weiße Bevölkerun­g in jedem vierjährig­en Wahlzyklus um weitere eineinhalb Prozentpun­kte schrumpfen. Interessan­t in diesem Zusammenha­ng ist, dass Angehörige der ethnischen Minderheit­en mehr Kinder zur Welt bringen als Weiße. Hinzu kommt, dass die Weißen mit durchschni­ttlich 42 Jahren erheblich älter sind als die Latinos, die im Durchschni­tt 27 Jahre alt sind.

Der Demokrat Barack Obama hat bei den Präsidente­nwahlen 2008 und 2012 von dieser demografis­chen Entwicklun­g profitiert, indem er zwar bei den weißen Wählern in der Minderheit blieb, dieses Manko aber durch ein sensatione­ll gutes Abschneide­n bei den Angehörige­n der Minderheit­en mehr als wettmachte.

2016 siegte der Republikan­er Donald Trump, der bei geringer Wahlbeteil­igung (nahezu die Hälfte der Wahlberech­tigten blieb zu Hause) von nur jedem vierten Amerikaner gewählt wurde,

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria