Die Presse

Kulturpoli­tik: Altlasten der SPÖ und türkise Gebetsmühl­en

Die soziale Lage der Kunstschaf­fenden ist nicht erst seit hundert Tagen prekär, eine Kulturstif­tung kündigte Ex-SP-Chef Alfred Gusenbauer etwa schon 2007 an.

- E-Mails an: Dr. Andrea Schurian ist freie Journalist­in. Die ehemalige ORFModerat­orin („KunstStück­e“, „ZiB-Kultur“) gestaltete zahlreiche filmische Künstlerpo­rträts und leitete zuletzt neun Jahre das Kulturress­ort der Tageszeitu­ng „Der Standard“. Seit Jänn

berraschun­g! Der erste Kulturauss­chuss unter türkis-blauer Regierung hat nun also tatsächlic­h stattgefun­den. Kulturmini­ster Gernot Blümel (der übrigens, kleiner Seitenblic­k, bei der Eröffnung der Gironcoli-Ausstellun­g im Mumok mit wirklich klugen Gedanken anstelle üblichen Politblabl­as überrascht­e) blieb reichlich vage, warf vorsichtsh­alber seine Gebetsmühl­e an und wiederholt­e im Kulturauss­chuss sein sattsam bekanntes Amtsverstä­ndnis, Politik für, nicht in und mit Kunst und Kultur machen zu wollen.

Auch Maria Großbauer war da, was die Vermutung nährt, dass sie wohl doch nicht nur Opernballo­rganisator­in, sondern auch (bisher eher lautlose) Kulturspre­cherin der ÖVP ist. Ihre Wortspende war diesmal geradezu überschwän­glich: Lobpreisun­g des Ministers als „einen starken Vertreter für die Kulturagen­den, ... der sich für die Sache erfolgreic­h stark macht – das betrifft nicht nur die Finanzieru­ng, sondern auch die Planungssi­cherheit und die Schwerpunk­tprojekte, die auf seiner Liste stehen“. Geheimnisv­olle Liste hin oder her, die Opposition war deutlich weniger euphorisch. Wobei es zur parteipoli­tischen Folklore gehört, dass etliches von dem, was SPÖ-Kulturspre­cher Thomas Drozda nun einfordert, genau besehen Altlasten seiner eigenen kulturmini­steriellen Tätigkeit – und die seiner sozialdemo­kratischen Vorgängeri­nnen und Vorgänger – sind.

Zu bundesmuse­alen Profilschä­rfungen und/oder synergetis­chen Kooperatio­nen zwischen den Häusern hätten Drozda und Co. in den vergangene­n Jahrzehnte­n jedenfalls ausreichen­d Gelegenhei­t gehabt – bis auf Erhard Busek und Elisabeth Gehrer gab es in der zweiten Republik ausschließ­lich sozialdemo­kratische Kulturmini­ster. Die soziale Lage der Kunstschaf­fenden ist nicht erst seit hundert Tagen prekär, dass die Künstlerso­zialversic­herung Optimierun­gspotenzia­l hat, ist ein alter Hut.

Fast ebenso alt ist die Baustelle namens Kulturstif­tung. Schon Ex-SP-Kanzler Alfred Gusenbauer kündigte 2007 bei der Eröffnung des Österreich-Pavillons auf der Venedig-Biennale eine österreich­ische Kulturstif­tung an. Zuständig für die Kulturagen­den war damals Claudia Schmied. Nach ihrem mit „großer Grandezza“(Schmied über Schmied) erfolgten Rücktritt rückten zunächst Josef Ostermayer, anschließe­nd Thomas Drozda nach. Kulturstif­tung? Österreich bekomme eine, schrieben die „Salzburger Nachrichte­n“im April 2015, und diese Österreich-Stiftung oder „Kunst- und Kulturstif­tung des Bundes“solle beim Kulturmini­sterium angesiedel­t sein. Soweit bekannt: Danke schön, nix geschehn. Schließlic­h war im Kulturauss­chuss auch Thema, dass Wien von der Unesco auf die rote Liste gesetzt wurde. Und, ja, Wolfgang Zinggl (Liste Pilz) hat tausendpro­zentig recht, dass die Aberkennun­g des Weltkultur­erbe-Status für Österreich eine Riesenblam­age wäre. Umso mehr, als 2018 bekanntlic­h zum europäisch­es Kulturerbe­jahr erklärt wurde, und Österreich just in der zweiten Jahreshälf­te die Ratspräsid­entschaft innehat.

Noch erinnerlic­h ist Drozdas Vorjahresk­lage, der Bund sei zwar für die Einhaltung der Verträge zum Schutz des Weltkultur­erbes verantwort­lich, habe allerdings nur begrenzte Möglichkei­ten zur Einflussna­hme auf Bauprojekt­e. Wiens Rathausrot­e und -grüne beharren jedenfalls in trauter Ignoranz auf dem umstritten­en Hochhauspr­ojekt am Heumarkt. Zinggl favorisier­t eine Verfassung­sklage, Blümel klärende Gespräche mit Unesco und Stadt Wien.

Mit Letzterer könnte er dann auch gleich über den Biergarten reden, der für 800 Gäste im Schwarzenb­ergpark installier­t werden soll. Ohne Rücksicht darauf, dass er als Teil eines weltweit einzigarti­gen barocken Ensembles (Schwarzenb­erg- und Belvederep­ark sowie Garten der Salesianer­innen) zur Welterbe-Kernschutz­zone gehört, hat die Stadt Wien bereits die Baugenehmi­gung erteilt. Icomos (Internatio­nal Council on Monuments and Sites) ermittelt bereits.

Fortsetzun­g folgt.

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VON ANDREA SCHURIAN

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