Kulturpolitik: Altlasten der SPÖ und türkise Gebetsmühlen
Die soziale Lage der Kunstschaffenden ist nicht erst seit hundert Tagen prekär, eine Kulturstiftung kündigte Ex-SP-Chef Alfred Gusenbauer etwa schon 2007 an.
berraschung! Der erste Kulturausschuss unter türkis-blauer Regierung hat nun also tatsächlich stattgefunden. Kulturminister Gernot Blümel (der übrigens, kleiner Seitenblick, bei der Eröffnung der Gironcoli-Ausstellung im Mumok mit wirklich klugen Gedanken anstelle üblichen Politblablas überraschte) blieb reichlich vage, warf vorsichtshalber seine Gebetsmühle an und wiederholte im Kulturausschuss sein sattsam bekanntes Amtsverständnis, Politik für, nicht in und mit Kunst und Kultur machen zu wollen.
Auch Maria Großbauer war da, was die Vermutung nährt, dass sie wohl doch nicht nur Opernballorganisatorin, sondern auch (bisher eher lautlose) Kultursprecherin der ÖVP ist. Ihre Wortspende war diesmal geradezu überschwänglich: Lobpreisung des Ministers als „einen starken Vertreter für die Kulturagenden, ... der sich für die Sache erfolgreich stark macht – das betrifft nicht nur die Finanzierung, sondern auch die Planungssicherheit und die Schwerpunktprojekte, die auf seiner Liste stehen“. Geheimnisvolle Liste hin oder her, die Opposition war deutlich weniger euphorisch. Wobei es zur parteipolitischen Folklore gehört, dass etliches von dem, was SPÖ-Kultursprecher Thomas Drozda nun einfordert, genau besehen Altlasten seiner eigenen kulturministeriellen Tätigkeit – und die seiner sozialdemokratischen Vorgängerinnen und Vorgänger – sind.
Zu bundesmusealen Profilschärfungen und/oder synergetischen Kooperationen zwischen den Häusern hätten Drozda und Co. in den vergangenen Jahrzehnten jedenfalls ausreichend Gelegenheit gehabt – bis auf Erhard Busek und Elisabeth Gehrer gab es in der zweiten Republik ausschließlich sozialdemokratische Kulturminister. Die soziale Lage der Kunstschaffenden ist nicht erst seit hundert Tagen prekär, dass die Künstlersozialversicherung Optimierungspotenzial hat, ist ein alter Hut.
Fast ebenso alt ist die Baustelle namens Kulturstiftung. Schon Ex-SP-Kanzler Alfred Gusenbauer kündigte 2007 bei der Eröffnung des Österreich-Pavillons auf der Venedig-Biennale eine österreichische Kulturstiftung an. Zuständig für die Kulturagenden war damals Claudia Schmied. Nach ihrem mit „großer Grandezza“(Schmied über Schmied) erfolgten Rücktritt rückten zunächst Josef Ostermayer, anschließend Thomas Drozda nach. Kulturstiftung? Österreich bekomme eine, schrieben die „Salzburger Nachrichten“im April 2015, und diese Österreich-Stiftung oder „Kunst- und Kulturstiftung des Bundes“solle beim Kulturministerium angesiedelt sein. Soweit bekannt: Danke schön, nix geschehn. Schließlich war im Kulturausschuss auch Thema, dass Wien von der Unesco auf die rote Liste gesetzt wurde. Und, ja, Wolfgang Zinggl (Liste Pilz) hat tausendprozentig recht, dass die Aberkennung des Weltkulturerbe-Status für Österreich eine Riesenblamage wäre. Umso mehr, als 2018 bekanntlich zum europäisches Kulturerbejahr erklärt wurde, und Österreich just in der zweiten Jahreshälfte die Ratspräsidentschaft innehat.
Noch erinnerlich ist Drozdas Vorjahresklage, der Bund sei zwar für die Einhaltung der Verträge zum Schutz des Weltkulturerbes verantwortlich, habe allerdings nur begrenzte Möglichkeiten zur Einflussnahme auf Bauprojekte. Wiens Rathausrote und -grüne beharren jedenfalls in trauter Ignoranz auf dem umstrittenen Hochhausprojekt am Heumarkt. Zinggl favorisiert eine Verfassungsklage, Blümel klärende Gespräche mit Unesco und Stadt Wien.
Mit Letzterer könnte er dann auch gleich über den Biergarten reden, der für 800 Gäste im Schwarzenbergpark installiert werden soll. Ohne Rücksicht darauf, dass er als Teil eines weltweit einzigartigen barocken Ensembles (Schwarzenberg- und Belvederepark sowie Garten der Salesianerinnen) zur Welterbe-Kernschutzzone gehört, hat die Stadt Wien bereits die Baugenehmigung erteilt. Icomos (International Council on Monuments and Sites) ermittelt bereits.
Fortsetzung folgt.