Von wegen „Otto-Wagner-Grün“: Es war weiß!
100. Todestag. Untersuchungen des Bundesdenkmalamts haben ergeben: Nicht das wohlbekannte Grün, sondern ein helles Beige ist die Geländerfarbe des Otto Wagner. Ein Wiener Baumeister hat den Befund nächst der Urania umgesetzt.
Zweieinhalb Meter OttoWagner-Geländer: Das ist nicht gerade viel im Vergleich zu den vielen Geländerkilometern, die wir dem heuer in mehreren Ausstellungen gefeierten Wegbereiter der Wiener Architekturmoderne verdanken. Und doch, diese zweieinhalb Meter werden das einzige Stück Otto-Wagner-Geländer sein, das seiner äußeren Erscheinung nach ungefähr dem entspricht, wie sich Otto Wagner selbst seine Geländer vorgestellt hat und wie sie sich auch jahrzehntelang im Wiener Stadtbild präsentiert haben müssen: nämlich nahezu weiß gefärbt und nicht in jenem Grünton, der mittlerweile in den allgemeinen Sprachgebrauch als vermeintliches „Otto-Wagner-Grün“eingegangen ist.
Zu sehen ab Mittwoch, dem 100. Todestag Otto Wagners, nächst der Urania. Der Reihe nach. Vergangenes Jahr scheuchte das Bundesdenkmalamt die Fachwelt mit einer kaum glaublichen Nachricht auf: Das längst zu einer Art Wiener Corporate Identity gewordene „Otto-Wagner-Grün“, so gut wie omnipräsent nicht nur auf Geländern entlang von Wiental und Donaukanal, sondern auch an etlichen ehemaligen Stadtbahnstationen, entspreche keineswegs der Intention seines vorgeblichen Schöpfers.
Befundungen hätten gezeigt, dass die Metalloberflächen der Stadtbahnstationen zur Zeit der Entstehung „bisher in keiner einzigen Station hellgrün, sondern durchgehend hellbeige gefasst waren“. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg hätten „die Metallteile die bekannte Grünfassung“erhalten.
Wien-Identität per DIN-Norm?
Wie es zu dieser Umfärbeaktion gekommen sei, könne bis dato nicht eruiert werden, teilte auf Anfrage der „Presse“der zuständige Laborleiter des Bundesdenkmalamts, Robert Linke, ergänzend mit. So viel stehe allerdings fest: Besagtes Grün sei in der Nachkriegszeit ein beliebter Farbton gewesen, „um technische Anlagen jeder Art zu streichen“, bis 1974 gar via DIN-Norm festgelegt. Was die Sache nicht angenehmer macht: Hat doch die Vorstellung, ein Stadtbild-prägendes Kennzei- chen Wiens sei einem Baukünstler von Rang zu verdanken, etwas viel Freundlicheres an sich als eine Wien-Identität per Industrienorm.
Dennoch, am „Otto-WagnerGrün“, das in Wahrheit keines ist, sollte sich nach Vorstellung des Bundesdenkmalamts nicht viel ändern: Abgesehen von den jüngst sanierten Stationen der Vorortelinie, bei denen man zum nunmehr bekannten Farbkonzept Wagners zurückgekehrt ist, würden Wagner’sche Metallteile so grün bleiben, wie sie heute eben sind. Denn, so Robert Linke: Dem grünen Anstrich der Nachkriegsjahre komme „in der Zwischenzeit ebenfalls ein historischer Wert zu“. Denkmal kraft Gewohnheit.
Diese Rechnung freilich hatte man ohne Wolfgang Czernilofsky gemacht. Der war als Mitarbeiter des Baumanagement-Unternehmens Metz & Partner schon in Wagner-Sanierungen involviert, ist mit der Materie also bestens vertraut, und als er den Auftrag erhält, für die Via Donau Donaukanalgeländer instand zu setzen, beschließt er, zumindest ein kleines Geländerstück weit der Wagner’schen Farbintention zu folgen.
Ein isoliert dastehender Geländerteil am Treppenabgang vom Franz-Josefs-Kai zum Donaukanal, oberhalb des Badeschiffs, bietet sich ideal dafür an. Wolfgang Czernilofsky: „Am Anfang haben alle eher locker gesagt, machen Sie nur. Möglicherweise haben sie nicht ernst genommen, dass ich solche Themen entsprechend intensiv betreibe.“
Das ist auch nötig, denn: Der richtige Farbton will erst präzise erkundet sein. Über Vermittlung von Robert Linke erfährt Czernilofsky von Christoph Melichar, der gerade drauf und dran ist, für die Otto-Wagner-Ausstellung des Wien Museums die korrekte Pigmentierung des bewussten hellen Beige zu rekonstruieren. Mit dem ganz offiziellen Segen des Bundesdenkmalamts werden schließlich die entsprechenden Metallteile gegossen und vorbereitet, die Montage ist abgeschlossen.
Noch ein ganz anderes Grün
Zu erklären gibt’s in Sachen „OttoWagner-Grün“freilich sonst noch einiges: beispielsweise wieso beim sogenannten Hofpavillon nächst der U4-Station Hietzing im Zuge seiner erst vor vier Jahren finalisierten Restaurierung zwar ein Grün, aber wieder ein ganz anderes, ein viel dunkleres als das sonst bis dahin übliche helle Grün als Metallanstrich verwendet wurde – und zwar auch in diesem Fall auf Basis einer dem Vernehmen nach gründlichen Befundung.
Befunde könne man eben unterschiedlich interpretieren, ist dazu vom Hofpavillon-Verwalter, dem Wien Museum, zu vernehmen. Der auch für die Otto-Wagner-Ausstellung verantwortliche Architekturkurator des Hauses, Andreas Nierhaus, ergänzt kryptisch, er sei damals von diesem dunklen Grün „auch überrascht“gewesen: „Ehrlich gesagt ist unser aller Wissen über dieses Thema derzeit noch so lückenhaft, dass man ein eigenes Forschungsprojekt daraus machen müsste.“Gut möglich also, dass man in Sachen „Otto-Wagner-Grün“noch seine blauen oder sonst wie gefärbten Wunder erleben wird.