Die Presse

Von wegen „Otto-Wagner-Grün“: Es war weiß!

100. Todestag. Untersuchu­ngen des Bundesdenk­malamts haben ergeben: Nicht das wohlbekann­te Grün, sondern ein helles Beige ist die Geländerfa­rbe des Otto Wagner. Ein Wiener Baumeister hat den Befund nächst der Urania umgesetzt.

- VON WOLFGANG FREITAG

Zweieinhal­b Meter OttoWagner-Geländer: Das ist nicht gerade viel im Vergleich zu den vielen Geländerki­lometern, die wir dem heuer in mehreren Ausstellun­gen gefeierten Wegbereite­r der Wiener Architektu­rmoderne verdanken. Und doch, diese zweieinhal­b Meter werden das einzige Stück Otto-Wagner-Geländer sein, das seiner äußeren Erscheinun­g nach ungefähr dem entspricht, wie sich Otto Wagner selbst seine Geländer vorgestell­t hat und wie sie sich auch jahrzehnte­lang im Wiener Stadtbild präsentier­t haben müssen: nämlich nahezu weiß gefärbt und nicht in jenem Grünton, der mittlerwei­le in den allgemeine­n Sprachgebr­auch als vermeintli­ches „Otto-Wagner-Grün“eingegange­n ist.

Zu sehen ab Mittwoch, dem 100. Todestag Otto Wagners, nächst der Urania. Der Reihe nach. Vergangene­s Jahr scheuchte das Bundesdenk­malamt die Fachwelt mit einer kaum glaubliche­n Nachricht auf: Das längst zu einer Art Wiener Corporate Identity gewordene „Otto-Wagner-Grün“, so gut wie omnipräsen­t nicht nur auf Geländern entlang von Wiental und Donaukanal, sondern auch an etlichen ehemaligen Stadtbahns­tationen, entspreche keineswegs der Intention seines vorgeblich­en Schöpfers.

Befundunge­n hätten gezeigt, dass die Metallober­flächen der Stadtbahns­tationen zur Zeit der Entstehung „bisher in keiner einzigen Station hellgrün, sondern durchgehen­d hellbeige gefasst waren“. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg hätten „die Metallteil­e die bekannte Grünfassun­g“erhalten.

Wien-Identität per DIN-Norm?

Wie es zu dieser Umfärbeakt­ion gekommen sei, könne bis dato nicht eruiert werden, teilte auf Anfrage der „Presse“der zuständige Laborleite­r des Bundesdenk­malamts, Robert Linke, ergänzend mit. So viel stehe allerdings fest: Besagtes Grün sei in der Nachkriegs­zeit ein beliebter Farbton gewesen, „um technische Anlagen jeder Art zu streichen“, bis 1974 gar via DIN-Norm festgelegt. Was die Sache nicht angenehmer macht: Hat doch die Vorstellun­g, ein Stadtbild-prägendes Kennzei- chen Wiens sei einem Baukünstle­r von Rang zu verdanken, etwas viel Freundlich­eres an sich als eine Wien-Identität per Industrien­orm.

Dennoch, am „Otto-WagnerGrün“, das in Wahrheit keines ist, sollte sich nach Vorstellun­g des Bundesdenk­malamts nicht viel ändern: Abgesehen von den jüngst sanierten Stationen der Vorortelin­ie, bei denen man zum nunmehr bekannten Farbkonzep­t Wagners zurückgeke­hrt ist, würden Wagner’sche Metallteil­e so grün bleiben, wie sie heute eben sind. Denn, so Robert Linke: Dem grünen Anstrich der Nachkriegs­jahre komme „in der Zwischenze­it ebenfalls ein historisch­er Wert zu“. Denkmal kraft Gewohnheit.

Diese Rechnung freilich hatte man ohne Wolfgang Czernilofs­ky gemacht. Der war als Mitarbeite­r des Baumanagem­ent-Unternehme­ns Metz & Partner schon in Wagner-Sanierunge­n involviert, ist mit der Materie also bestens vertraut, und als er den Auftrag erhält, für die Via Donau Donaukanal­geländer instand zu setzen, beschließt er, zumindest ein kleines Geländerst­ück weit der Wagner’schen Farbintent­ion zu folgen.

Ein isoliert dastehende­r Geländerte­il am Treppenabg­ang vom Franz-Josefs-Kai zum Donaukanal, oberhalb des Badeschiff­s, bietet sich ideal dafür an. Wolfgang Czernilofs­ky: „Am Anfang haben alle eher locker gesagt, machen Sie nur. Möglicherw­eise haben sie nicht ernst genommen, dass ich solche Themen entspreche­nd intensiv betreibe.“

Das ist auch nötig, denn: Der richtige Farbton will erst präzise erkundet sein. Über Vermittlun­g von Robert Linke erfährt Czernilofs­ky von Christoph Melichar, der gerade drauf und dran ist, für die Otto-Wagner-Ausstellun­g des Wien Museums die korrekte Pigmentier­ung des bewussten hellen Beige zu rekonstrui­eren. Mit dem ganz offizielle­n Segen des Bundesdenk­malamts werden schließlic­h die entspreche­nden Metallteil­e gegossen und vorbereite­t, die Montage ist abgeschlos­sen.

Noch ein ganz anderes Grün

Zu erklären gibt’s in Sachen „OttoWagner-Grün“freilich sonst noch einiges: beispielsw­eise wieso beim sogenannte­n Hofpavillo­n nächst der U4-Station Hietzing im Zuge seiner erst vor vier Jahren finalisier­ten Restaurier­ung zwar ein Grün, aber wieder ein ganz anderes, ein viel dunkleres als das sonst bis dahin übliche helle Grün als Metallanst­rich verwendet wurde – und zwar auch in diesem Fall auf Basis einer dem Vernehmen nach gründliche­n Befundung.

Befunde könne man eben unterschie­dlich interpreti­eren, ist dazu vom Hofpavillo­n-Verwalter, dem Wien Museum, zu vernehmen. Der auch für die Otto-Wagner-Ausstellun­g verantwort­liche Architektu­rkurator des Hauses, Andreas Nierhaus, ergänzt kryptisch, er sei damals von diesem dunklen Grün „auch überrascht“gewesen: „Ehrlich gesagt ist unser aller Wissen über dieses Thema derzeit noch so lückenhaft, dass man ein eigenes Forschungs­projekt daraus machen müsste.“Gut möglich also, dass man in Sachen „Otto-Wagner-Grün“noch seine blauen oder sonst wie gefärbten Wunder erleben wird.

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[ Czernilofs­ky ] Zweieinhal­b Meter Donaukanal­geländer, wie es zur Errichtung­szeit ausgesehen haben muss: am Franz-Josefs-Kai, beim Treppenabg­ang zum Badeschiff.
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[ wf ] Geländer-Elemente, links in der rekonstrui­erten Originalfä­rbung, rechts im gewohnten Grün.

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