Die Presse

Wer die AUVA reformiere­n will, sollte einen Plan dafür haben

Derzeit subvention­iert die Unfallvers­icherung die Krankenkas­sen. Passiert das nicht mehr, könnte eine Freizeit-Unfallvers­icherung notwendig sein.

- E-Mails an: martin.fritzl@diepresse.com

Wenn

eine Institutio­n sich verändern soll, sind Widerständ­e nicht weit. Dann treten recht rasch die Besitzstan­dswahrer auf, die ganz genau erklären können, warum Veränderun­gen so völlig unmöglich sind und welche negativen Folgen sie nach sich ziehen würden. Geht es um den Gesundheit­sbereich, dann wird auch schnell einmal mit dem Leichentuc­h gewachelt. Insofern sind die kritischen Kommentare zu einer möglichen Reform oder Auflösung der Allgemeine­n Unfallvers­icherungsa­nstalt (AUVA) wenig verwunderl­ich. Da melden sich Interessen­vertreter zu Wort, die viel zu verlieren haben.

Was aber schon verwundert, ist die Planlosigk­eit, mit der die türkis-blaue Regierung hier zu Werke geht. Bis heute ist nicht klar, welche Ziele eigentlich verfolgt werden. Geht es um reine Einsparung­en? Um eine Verbesseru­ng (oder Verschlech­terung) der Unfallvers­orgung? Um einen größeren Einfluss der Regierung auf die wichtigen Player im Gesundheit­swesen?

Die Vorgangswe­ise der zuständige­n Ministerin, Beate Hartinger-Klein, und ihrer Regierungs­kollegen wirkt jedenfalls einigermaß­en chaotisch: Da werden der AUVA Einsparung­sziele verordnet, die sie in ihrem eigenen Bereich gar nicht erfüllen kann, sondern nur, wenn die Politik Rahmenbedi­ngungen ändert. Dafür bekommt sie eine Frist bis Jahresende, anderenfal­ls wird sie aufgelöst. Doch noch ehe die Frist richtig angelaufen ist, verkündet die Ministerin schon die Auflösung. Und der Vizekanzle­r garantiert, dass die Unfallspit­äler – und damit ein großer Teil der Kosten – bestehen bleiben, ohne dazuzusage­n, wer sie übernehmen wird.

Warum ist eine Reform der Unfallvers­orgung überhaupt notwendig? Die Pläne der Regierung haben tatsächlic­h einen soliden Hintergrun­d, der in den historisch gewachsene­n Strukturen zu finden ist: Die AUVA wurde für Arbeitsunf­älle gegründet und wird rein über Arbeitgebe­rbeiträge finanziert. Doch in den vergangene­n 30 Jahren haben sich die Arbeitsunf­älle halbiert, während die Beiträge nicht an den geringeren Aufwand angepasst wurden. Dafür bekam die AUVA Aufträge übertragen, die mit ihrer eigentlich­en Aufgabe nichts zu tun haben. In erster Linie geht es da um die Behandlung von Opfern von Freizeitun­fällen, für die die AUVA von den Krankenkas­sen einen viel zu geringen Kostenersa­tz bekommt. Im Gegenzug muss sie viel zu viel für die Behandlung von Arbeitsunf­allopfern in fremden Krankenhäu­sern bezahlen.

Bevor Türkis-Blau jetzt mit den Fingern auf die Sozialdemo­kraten zeigt: Für diese Querfinanz­ierung war man auch selbst verantwort­lich. So hat die schwarz-blaue Regierung im Jahr 2006 beschlosse­n, dass die AUVA nicht nur für die Entgeltfor­tzahlung bei Unfällen zuständig ist, sondern auch bei normalen Krankenstä­nden mitzahlen muss. Und das hat nun wirklich nichts mit den Aufgaben einer Unfallvers­icherung zu tun. R aum für Reformen gibt es da genug. Natürlich wird man nicht alle Unfallspit­äler schließen können, die Unfälle verschwind­en ja nicht plötzlich. Aber: Die komplexen Finanzieru­ngsströme im Gesundheit­swesen sind der Nährboden für Ineffizien­zen. Eine einfachere Struktur bei den Sozialvers­icherungst­rägern – wie von der Regierung geplant – wäre da schon einmal ein großer Fortschrit­t. So erscheinen unterschie­dliche Strukturen für Arbeits- und Freizeitun­fälle wenig sinnvoll. Was allerdings schon notwendig erscheint: Die Kompetenz der AUVA zum Thema Unfall – von der Prävention bis zur Rehabilita­tion – muss auch in einer neuen Struktur erhalten bleiben. Würde etwa bei der Prävention gespart, wären negative Effekte vorhersehb­ar.

Bleibt das Thema der Kosten: Die Regierung will die Arbeitgebe­rbeiträge um 500 Millionen Euro senken. Das hat einen berechtigt­en Hintergrun­d, weil warum sollen Arbeitgebe­r für Freizeitun­fälle aufkommen müssen? Aber man muss auch dazusagen, dass diese Kosten ja bestehen bleiben, nur ein geringer Teil lässt sich über eine Vereinfach­ung der Verwaltung einsparen. Und auch die Krankenkas­sen werden das nicht einfach schultern können. Eine Einsparung bei der AUVA führt also zu höheren Krankenkas­senbeiträg­en oder zu einer Freizeit-Unfallvers­icherung für alle. Das sollte die Regierung auch offen sagen.

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VON MARTIN FRITZL

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