Ein gelungenes Täuschungsmanöver
Analyse. Vor dem Angriff schien es, als würde er primär vom Mittelmeer her erfolgen. Das sollte sich als Irrtum erweisen.
Es war eine gelungene Täuschung des Gegners: Das war am Wochenende der Tenor der Kommentare der militärischen Fachwelt im Westen zu den Marschflugkörperangriffen der US-französisch-britischen Allianz auf Syrien in den frühen Morgenstunden des Samstags.
Und das lag vor allem an einem Namen: USS Donald Cook. Dieser US-Zerstörer der Arleigh-Burke-Klasse hatte sich vor den Attacken schon geraume Zeit im Mittelmeer vor Syrien befunden, die USA hatten das sogar regelrecht betont, und überdies, dass mindestens ein zweiter Zerstörer (zuletzt war die Rede von der Winston Churchill) in Kürze zur Cook stoßen solle. Jedes dieser Schiffe trägt in der Regel mehrere Dutzend (die Zahl 60 wird oft genannt) TomahawkMarschflugkörper (Reichweite je nach Version 1700 bis 2500 Kilometer). Und weil auch über die Anwesenheit zweier Tomahawk-bestückter US-U-Boote spekuliert worden war, die britische Premierministerin Theresa May verkündet hatte, auch die Royal Navy habe U-Boote in Schussweite gebracht, und Frankreich eine ganze Flotille herangeführt hatte, schien es, als werde im Banner jenes Zerstörers, der seinen Vornamen mit dem US-Präsidenten teilt, der von eben diesem angekündigte Großangriff auf Syrien von Westen her geführt werden. (Reichweite mehr als 500 km). Ihr Ziel war ein mutmaßliches Chemie(waffen)lager bei Him Schinschar nahe Homs.
Frankreich griff mit fünf Rafale-Kampfjets und vier Mirage-2000 als Eskorte an, die weitere neun „Scalp“-Marschflugkörper starteten, das ist die französische Variante der Storm Shadow. Diese Flugkörper trafen das Lager Him Schinschar sowie eine Bunkeranlage in der Nähe. Die Flugzeuge kamen aus Frankreich und wurden von sechs Lufttankern insgesamt je fünfmal betankt. Zusätzlich startete die Fregatte „Languedoc“drei Scalps – das Schiff ist Teil der erwähnten Flotille, die aus fünf Fregatten besteht, letztlich also nur sehr wenig beitrug. Das Ziel war diesfalls ebenfalls das Lager Him Schinschar. Franzosen und Briten setzten insgesamt 20 Geschosse ein. Das Gros der letztlich 105 Flugbomben kam seitens der USA – doch wurden nur sechs davon vom Mittelmeer her verschossen, konkret vom Jagd-U-Boot USS John Warner (Virginia-Klasse). Den Großteil starteten der Kreuzer Monterey (30 Tomahwaks) und der Zerstörer Laboon (7) im Roten Meer, weiters der Zerstörer Higgins im Persischen Golf (23). Dazu kamen 19 topmoderne, im Radar schwer erkennbare JASSM-Marschflugkörper (Joint Air-to-Surface Standoff Missile), die von zwei strategischen B-1 „Lancer“Bombern gestartet wurden, die von Katar aus operierten. Von den US-Geschossen hatten 76 den Barzeh-Forschungskomplex in Damaskus zum Ziel. Er wurde vernichtet.
Doch die Cook schoss nicht. Und keines der britischen Boote. Tatsächlich führte man vom Mittelmeer her nur einen eher schwachen Schlag, fast einen Ablenkungsangriff, während die Hauptmacht der Flugbomben von Süden und Osten hereinbrach und die primär nach Westen und Norden orientierte Luftabwehr in Syrien kalt erwischte.
Am Sonntag stellte sich der Angriff so dar: Vier Tornado-Jagdbomber der Royal Air Force griffen, eskortiert von vier Eurofighter „Typhoon“-Jägern, vom Stützpunkt RAF Akrotiri auf Zypern aus an und verschossen acht „Storm Shadow“-Marschflugkörper
Es soll nur einige Verletzte gegeben haben, weil alle Ziele leer standen oder im Vorfeld geräumt worden waren. Nach den Angriffen gab es Kontroversen über von Russen und Syrern behauptete Abschüsse von 13 bis sogar 71 Marschflugkörpern. Die Westmächte dementierten das bisweilen mit einem amüsierten Unterton. Laut eines Pentagonsprechers seien wohl um die 40 Flugabwehrraketen gestartet worden – die meisten aber „blindlings“, nachdem die Flugbomben ihre Ziele bereits getroffen hatten.