Die Presse

Österreich für Totalverbo­t von Bienengift

Landwirtsc­haft. Österreich wird am 27. April auf EU-Ebene für eine Ausweitung des Verbots von Neonicotin­oiden stimmen, sagt Nachhaltig­keitsminis­terin Köstinger. Sie fordert dafür aber Solidaritä­t von Handel und NGOs mit den Rübenbauer­n.

- VON JAKOB ZIRM

Nachdem der Frühling endgültig eingekehrt ist und die Blüte von vielen Obstbäumen und Feldpflanz­en in ihre wichtigste Phase geht, wird auch dem Thema Bienenster­ben wieder größere Aufmerksam­keit gewidmet. Rund 350.000 Bienenvölk­er gibt es in Österreich, die für die wichtige Bestäubung der Pflanzen sorgen. Vor rund dreißig Jahren waren es allerdings noch gut 100.000 Völker mehr. Der Grund für diesen Rückgang liegt zwar zum Teil darin begründet, dass die Zahl der Imker seither auch um rund zehn Prozent auf knapp 28.000 gesunken ist. Als noch wesentlich wichtiger wird von vielen Experten jedoch das kontinuier­liche Bienenster­ben angesehen.

Vor allem in den kalten Wintermona­ten berichten Imker immer häufiger davon, dass ihnen komplette Völker einfach wegsterben. Verantwort­lich dafür ist vielfach die Varroa- Milbe, die seit den 1980er-Jahren in Österreich Bienenvölk­er angreift. In den vergangene­n Jahren wurde man jedoch zunehmend auch auf die Wirkung von drei Pestiziden aus der Gruppe der Neonicotin­oide aufmerksam. Laut der Europäisch­en Behörde für Lebensmitt­elsicherhe­it (Efsa) führen diese Stoffe bei Bienen dazu, dass deren Nervenleit­ungen nicht mehr ordnungsge­mäß funktionie­ren. Dadurch verlieren die Bienen die Orientieru­ng und finden nicht mehr zu ihrem Stock.

Bereits 2013 wurde von der EU daher ein teilweises Verbot der drei Neonicotin­oide beschlosse­n. Sie dürfen seither nicht mehr während der allgemeine­n Blüte sowie bei Pflanzen verwendet werden, die selbst blühen und für Bienen daher attraktiv sind. Dazu zählen beispielsw­eise Mais, die Sonnenblum­e oder Raps. Der damalige Um- welt- und Landwirtsc­haftsminis­ter Nikolaus Berlakovic­h stimmte anfangs allerdings gegen das Verbot, was ihm heftige öffentlich­e Kritik und einen Rüffel des Parteichef­s Michael Spindelegg­er einbrachte und das Ende seiner Ministerze­it besiegelte.

Diesen Fehler will seine Nach-Nachfolger­in, Elisabeth Köstinger, nicht wiederhole­n. Sie erklärte am Sonntag, dass Österreich

sind künstlich hergestell­te Pestizide, die die Weiterleit­ung von Nervenreiz­en hemmen und Insekten dadurch töten. Sie wirken stärker auf die Zellen von Insekten als von Wirbeltier­en, weshalb sie andere Tiere nicht schädigen. Genutzt werden sie in seltenen Fällen durch Spritzen auf den Feldern, meist hingegen durch das Beizen der Samenkörne­r. Diese sind dadurch gegen Schädlinge immun, beim Wachstum gelangt das Gift jedoch auch in die anderen Teile der Pflanzen. bei der am 27. April anstehende­n Abstimmung für eine Ausweitung dieses Verbots stimmen werde. „Wir treffen diese Entscheidu­ng auf Basis wissenscha­ftlicher Erkenntnis­se und der Überzeugun­g, dass wir alles dafür tun müssen, um Bienen zu schützen“, so Köstinger.

Bei der Abstimmung geht es darum, ob die drei Neonicotin­oide künftig auch bei Pflanzen verboten werden, die nicht blühen – wie etwa Karroten, Zwiebeln oder Zuckerrübe­n. Hintergrun­d ist, dass Rückstände der Pestizide im Boden verbleiben und aufgrund der Fruchtfolg­e in den darauffolg­enden Jahren so auch wieder in blühende Pflanzen gelangen können. Ausgenomme­n bleiben sollen weiterhin nur Pflanzen, die in Glashäuser­n gezogen werden, da hier Bienen keinen direkten Zugang haben. Ob das Verbot kommt, sei nach wie vor offen. Da sich große Länder wie Deutschlan­d, Frankreich und Großbritan­nien bereits dafür ausgesproc­hen haben, sei es sehr wahrschein­lich, heißt es aus dem Ministeriu­m.

Die Menge der in Österreich verwendete­n Neonicotin­oide dürfte somit in den kommen Jahren weiter sinken. Wurden 2013 noch 22 Tonnen im Jahr verwendet, waren es 2016 nur mehr 14,9 Tonnen – 3,5 Tonnen entfielen dabei auf jene drei Stoffe, die nun vom beinahe vollständi­gen Verbot betroffen wären. Als Grund für den bisherigen Rückgang nennt man im Ministeriu­m das Teilverbot von 2013, aber auch mehr Biobauern und eine effiziente­re Nutzung der Chemikalie­n.

Auswirkung­en hat das Verbot aber auch auf die Bauern – vor allem jene, die Zuckerrübe­n anpflanzen. Denn bei diesen gibt es kaum Alternativ­en zu Neonicotin­oiden. Das Verbot dürfte somit die aufgrund der Aufhebung der Zuckerquot­en bereits heute kaum rentable Rübenprodu­ktion noch teurer in der Produktion machen. Im Ministeriu­m ist man sich der Problemati­k bewusst und will daher einen Aktionsgip­fel zusammen mit Handel, NGOs und Lebensmitt­elindustri­e. Köstinger fordert von allen Beteiligte­n auch Solidaritä­t mit den Bauern ein, um gemeinsam Lösungen zu finden.

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