Wenn Zentralbanker unerwartet sprechen
Zinspolitik. Mit ein paar Worten bewegen Gouverneure wie Ewald Nowotny den Euro innerhalb von Sekunden. Für langfristig orientierte Anleger erweist sich eher die US-Notenbank Fed als gute Orientierungshilfe.
Ewald Nowotny hat wieder einmal zugeschlagen. Der österreichische Gouverneur genießt auf dem internationalen Parkett durchaus den Ruf, für Überraschungen gut zu sein. Das hat er vergangene Woche bestätigt: Das Institut könne doch schon mal beginnen, den Einlagensatz anzuheben, ehe es sich an die Leitzinsen macht, sagte das Ratsmitglied im Interview mit Reuters.
Mehr hat es nicht gebraucht. Der Euro stieg innerhalb kürzester Zeit fast um einen halben Prozentpunkt gegenüber dem Dollar. Das mag nicht viel klingen. Im globalen Währungsmarkt mit einem Tagesvolumen von einer halben Billion Dollar kommt ein solcher Kurssprung aber einem mittelschweren Erdbeben gleich. Damit nicht ge- nug: Wenige Stunden später ruderte die EZB zurück, und schwuppdiwupp, sprang der Euro wieder auf das ursprüngliche Niveau. Da soll man als durchschnittlicher Investor noch durchblicken.
Zunächst: Dass sich der Euro entsprechend bewegt hat, hat Sinn. Denn bislang ist von einer Zinsanhebung im Euroraum eigentlich noch keine Rede. Sollte die EZB den Schritt früher als erwartet wagen, werden Investments in Euro attraktiver, und die Währung legt zu. Unklar für Anleger ist aber, ob Nowotny nur seine Präferenz kommuniziert hat oder ob es tatsächlich eine breitere Debatte unter den Ratsmitgliedern gibt, schon früher mit einer Zinserhöhung vorzupreschen. Entsprechend schwierig ist die ganze Sache für Investoren, die auf Gewinne oder Verluste des Euro setzen wollen.
Kleinanleger, die mit Wetten auf Euro oder Dollar Geld verdienen wollen, können sich also fast nur die Finger verbrennen, wenn sie aus Aussagen von EZB-Ratsmitgliedern Kapital schlagen wollen. Zu ungewiss und kurzfristig sind die Kursschwankungen, die zudem vom automatisierten Handel, der mittlerweile auf bestimmte Überschriften der großen Agenturen reagiert, viel schneller realisiert werden.
Wer tatsächlich eine mittel- bis langfristige Tendenz ablesen will, sollte sich auf die wenigen Auftritte des EZB-Chefs Mario Draghi konzentrieren. Und sich andererseits eher auf die Federal Reserve als die Europäische Zentralbank verlassen. Denn anders als in Europa ist es für die wichtigsten US-Zentralbanker völlig unüblich, „off script“zu gehen und unangekündigt überraschende Zinsbewegungen in den Raum zu stellen. Wenn ein stimmberechtigter US-Notenbanker spricht, dann ist das langfristig geplant, dann gibt es einen vorbereiteten Redetext und dann kann man davon ausgehen, dass die Aussagen Hand und Fuß haben. Sogenannte „doorsteps“, also spontane Aussagen gegenüber Journalisten, sind im Prinzip tabu.
Die aktuelle Kommunikationslinie der Fed ist also klar: Noch heuer wird es zwei oder eventuell drei Zinserhöhungen geben. Natürlich gibt es Gouverneure, die mit Entscheidungen des Komitees nicht einverstanden sind. Im Unterschied zur EZB veröffentlicht die Fed allerdings die Namen der Abweichler. Deshalb wissen Investoren auch, woran sie sind, wenn ein Gouverneur spricht, und können die Aussagen entsprechend bewerten.
Für den durchschnittlichen Investor heißt das freilich nicht, dass man nun gleich weiß, wie sich Euro und Dollar zueinander verhalten werden. Zu viele andere Einflussfaktoren gibt es, die den Wechselkurs beeinflussen, von der Entwicklung der Inflation über potenzielle Handelskriege bis hin zu geopolitischen Unsicherheiten. Aber immerhin: Wenn man andere Einflüsse ausblendet, kann man spekulieren, dass eine restriktivere US-Notenbank Fed den Dollar eher stärker werden lässt und die Kurse von Staatsanleihen eher fallen, weil in einem höheren Zinsumfeld andere Anlageformen attraktiver werden.
Aus Anlegersicht kann man also das derzeitige Hickhack rund um die nächsten Zinsschritte der EZB eher ignorieren. Damit verbundene Kursbewegungen sind momentan noch zu kurzlebig.