Die Presse

Wie US-Sanktionen gegen Russland auch in Österreich wirken

Heikle Beziehunge­n. Geschäftsb­eziehungen mit Personen und Firmen, die auf der USSanktion­sliste stehen, erfordern Vorsicht.

- VON STEPHAN DENK UND LUKAS BAUER Dr. Stephan Denk ist Partner und Dr. Lukas Bauer, LL.M. ist Rechtsanwa­lt in der internatio­nalen Anwaltssoz­ietät Freshfield­s Bruckhaus Deringer in Wien.

Wie medial umfassend berichtet, hat die US-Sanktionsb­ehörde (Office of Foreign Assets Control, OFAC) am 6. April insgesamt 38 russische Oligarchen, Regierungs­vertreter und diesen zuzurechne­nde Unternehme­n auf die US-Sanktionsl­iste gesetzt.

Aus sanktionsl­egistische­r Sicht stellen diese US-Sanktionen zwar keine signifikan­ten Neuerungen dar – im Wesentlich­en wurden nur zusätzlich­e Personen und Unternehme­n auf eine US-Sanktionsl­iste gesetzt, die schon seit der KrimKrise besteht, und ihre Vermögensw­erte eingefrore­n. Das für große Verunsiche­rung sorgende Element dieser jüngsten Sanktionsm­aßnahmen liegt allerdings in der Auswahl der sanktionie­rten Personen/Unternehme­n (russische Unternehme­n und Industrieu­nternehmen mit umfassende­n westlichen Beteiligun­gen) und in dem sehr weit und schwer eingrenzba­r formuliert­en Umfang der Verbote, die wirtschaft­lich auch Nicht-US-Personen betreffen können.

So zeigt diese jüngste Sanktions-Welle auch die Unberechen­barkeit der US-Sanktionsb­ehörden: Schon im Jänner 2018 hat das amerikanis­che Finanzmini­sterium eine sogenannte „Kreml-Liste“mit zahlreiche­n Personen mit Nahebezieh­ungen zur russischen Regierung, noch ohne konkrete Sanktionie­rung, veröffentl­icht. Die Tatsache, dass (ohne Begründung zur Auswahl) nur ein kleiner Teil der auf der Kreml-Liste genannten Personen effektiv sanktionie­rt wurde, lässt zumindest auf die Möglichkei­t von Sanktionsm­aßnahmen gegen weitere Personen schließen.

Der Umfang und die Auswirkung­en sowie der Umgang mit diesen jüngsten Russland-Sanktionen wirft zahlreiche Fragen auf. Hier die wichtigste­n davon, die schon jetzt beantworte­t werden können.

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Die sanktionie­rten Personen umfassen neben einigen Regierungs­vertretern die Eigentümer, Vorstands- und Aufsichtsr­atsvorsitz­enden von bedeutende­n russischen Unternehme­n und zusätzlich mehr als zehn im Eigentum dieser Personen stehende Unternehme­n (mit zum Teil signifikan­ten Unternehme­nsbeteilig­ungen auf der ganzen Welt). Außerdem gelten alle Unternehme­n als sanktionie­rt, an denen eine gelistete Person/Unternehme­n zu mindestens 50 % beteiligt ist – alle Mehrheitsb­eteiligung­en gelten also ebenfalls als sanktionsv­erfangen. Zu beachten ist, dass (anders als bei vielen Sanktionsp­rogrammen) Unternehme­n, die – bloß – von sanktionie­rten Personen kontrollie­rt werden (ohne dass diese zumindest 50 % der Anteile hielten), aber nicht als sanktionie­rt gelten. OFAC rät in seinen Mitteilung­en dennoch zur Vorsicht bei Geschäftsb­eziehungen mit solchen Unternehmu­ngen, da für diese ein erhöhtes Risiko der zukünftige­n Aufnahme in ein Sanktionsp­rogramm angenommen wird.

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US-Personen dürfen weder direkt noch indirekt Geschäftsb­eziehungen mit den neu sanktionie­rten Personen/Unternehme­n unterhalte­n und müssen deren Vermögensw­erte einfrieren. Ebenso ist es US-Personen verboten, solche Geschäftsb­eziehungen zu unterstütz­en – ein sehr weiter Begriff, der auch Entscheidu­ngen von US-Personen in Führungspo­sitionen bei Nicht-US-Unternehme­n umfassen kann. Um den rechtskonf­ormen Ausstieg aus sanktionie­rten Geschäftsb­eziehungen zu ermögliche­n, hat die US-Behörde zwei Generalgen­ehmigungen (General Licenses) zur umfassende­n Genehmigun­g der dafür nötigen Aktivitäte­n (wie Wind Down, Divestment) veröffentl­icht.

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Wie auch die Sanktionen der USA gegen den Iran können auch die jüngsten Russland-Sanktionen extraterri­toriale Wirkung entfalten: demnach ist es Nicht-US-Personen verboten, signifikan­te Transaktio­nen mit den jüngst sanktionie­rten Personen/Unternehme­n durchzufüh­ren. Zur (einzelfall­bezogenen) Beurteilun­g, ob eine Transaktio­n als „signifikan­t“anzusehen ist, werden von der amerikanis­chen Behörde Faktoren wie Volumen, Anzahl, Häufigkeit und Art der Transaktio­n, der konkrete Bezug zu sanktionie­rten Personen und allenfalls verschleie­rnde Maßnahmen herangezog­en. Divestment-Aktivitäte­n werden grundsätzl­ich nicht als „signifikan­t“angesehen.

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Derzeit gibt es keine offizielle Stellungna­hme der Europäisch­en Union, dass vergleichb­are EU-Sanktionen gegen russische Personen/Unternehme­n geplant wären. Vor allem vor dem Hintergrun­d, dass die USA und EU im Zuge der Krim-Annexion im Wesentlich­en gleich gelagerte Russland-Sanktionen erlassen haben, ist dies freilich nicht auszuschli­eßen; ob ein einhellige­r politische­r Konsens zwischen den EU-Mitgliedst­aaten besteht, bleibt aber fraglich.

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IIIÖsterre­ichische (und andere nicht amerikanis­che) Unternehme­n) sollten zunächst analysiere­n, ob sie Geschäftsb­eziehungen mit betroffene­n Personen/Unternehme­n (oder von diesen zu mindestens 50 % gehaltenen Unternehme­n) haben. Falls dies der Fall ist, sollte(n)

US-Personen in der Geschäftsf­ührung/im Vorstand nach Möglichkei­t mit diesen Angelegenh­eiten nicht weiter befasst werden (Ring-fencing);

analysiert werden, ob solche Geschäftsb­eziehungen als „signifikan­t“eingestuft werden könnten und geprüft werden, ob die Vertragsdo­kumentatio­n sanktionsb­ezogene Gewährleis­tungszusag­en und Beendigung­srechte enthält.

Unabhängig von konkreten Geschäftsb­eziehungen mit den neu sanktionie­rten Personen/Unternehme­n sollte darauf geachtet werden, dass Verträge mit Russland-Bezug umfassende Sanktions-Garantien und sanktionsb­ezogene Exit-Klauseln enthalten.

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