So wirken Brahms-Lieder nie bieder
Christian Gerhaher mit „Die schöne Magelone“im Konzerthaus.
Schwülstig und bieder – der einzige Liederzyklus von Johannes Brahms, „Die schöne Magelone“nach Ludwig Tieck, läuft stark Gefahr, so zu wirken, vor allem durch die Zwischentexte Tiecks. Dies erkannte auch Bariton Christian Gerhaher, der einer Aufführung des gesamten Zyklus anfänglich ablehnend gegenüberstand. Zum Glück kam dies dem deutschen Schriftsteller Martin Walser, einem Gerhaher-Fan, zu Ohren: Er aktualisierte die Tieck’schen Zwischentexte, mehr noch, er versetzte sie mit trockenem Humor und Ironie. Das machte die Aufführung im Mozartsaal auch auf textlicher Ebene zum unterhaltsamen Erlebnis.
Das ist nicht nur Walser zu danken, sondern auch Rezitator Ulrich Tukur, der Walsers Essenz der spätmittelalterlichen Rittergeschichte in seiner lakonischen, z. T. kauzigen Art präsentiert hat, sodass die Kommentare zum folgenden Lied oft eine Gratwanderung zwischen Spott und Amüsement wurden. Der Ritter „musste einfach singen“, hieß es da, „wenn er jetzt noch sänge, wäre die Harmonie des Augenblicks vollkommen“anderswo. Woher der Ritter denn das Gold habe, das er seinen Rettern gibt, obwohl er zuvor auf dem Meer verloren war, „bleibt das Geheimnis des Dichters Tieck“.
So, und auch mit Augenrollen und wissendem Lächeln schafft es Tukur, die Texte auf eine andere Ebene zu bringen und trotzdem nicht ins Lächerliche zu ziehen. Die Lieder über die Gefühle der schönen Magelone und des Ritters Peter werden auf diese Art herrlich eingebettet.
Dass das Projekt derart aufgeht, liegt freilich auch an Christian Gerhahers Interpretation, an seinem warm timbrierten Bariton, seiner prägnanten und präzisen Artikulation, seiner weichen Tongebung. Er stellt seine modulationsfähige Prachtstimme ganz in den Dienst des Wortes, bald in sattem Forte, bald in ausgewogenen Schattierungen, weite Legatophrasen werden ausgekostet, selbst harte Passagen wirken nie kantig. Vielmehr überwiegt der samtige Eindruck, der – wie nun eben auch die Zwischentexte – fern der Schwülstigkeit ist.
In Gerold Huber hat Gerhaher einen kongenialen Partner am Klavier. Einmal lässt Huber Töne perlen, einmal packt er zu. Obwohl er sein Spiel natürlich akkurat auf Gerhaher abstimmt, agiert er selbstbewusst. Allen drei Interpreten ist es zu verdanken, dass hier ein Werk lebendiger denn je dargeboten wurde.