Widersprich niemals einem Polizisten!
Etikettenschwindel, aber unterhaltsam: Nachruf auf Amerika“. Eine gewitzte Abrechnung.
Die USA gehen unter. Wieder einmal. Gefühlt seit der Staatsgründung erscheint jährlich mindestens ein Buch mit einem Abgesang auf die Vereinigten Staaten. Sie sind leicht und unterhaltsam wie etwa Emmanuel Todds „Weltmacht USA: Ein Nachruf“oder auch schwer, wie James Gustave Speths „Manifest für ein neues Amerika“.
Jetzt aber sind sie aktuell wie noch nie. Eine Nation muss vor dem Abgrund stehen, wenn sie Donald J. Trump als Staatschef hat. Ein Mann, der über Twitter Mitarbeiter feuert und mit 160 Buchstaben schwere diplomatische Krisen auslöst, der Staaten alle Zugeständnisse macht, wenn sie ihn bei einem Besuch nur entsprechend hofieren (siehe China und Frankreich) und der tatsächlich glaubt, persönlich göttlichen Beistand zu genießen (bei seiner Antrittsrede meinte Trump, Gott habe „heruntergeschaut und gesagt: ,Wir lassen es bei deiner Rede nicht regnen.‘ Und es hat nicht geregnet“).
Zeit für Nachrufe auf Amerika, dachte sich offenbar der Fischer Verlag und brachte ein Buch mit dem Titel „Nachruf auf Amerika“heraus, verfasst von Klaus Brinkbäumer, Chefredakteur des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“. Allerdings nicht als Nachruf, sondern als eine Zusammenfassung seiner Zeit als Korrespondent in den USA von 2007 bis 2011. Der Autor schreibt von seinen Reisen durch die USA, berichtet von Treffen mit interessanten Persönlichkeiten und von seinen Eindrücken des Landes und dessen Bewohnern, die man als Europäer erst nach vielen Jahren versteht.
Etwa der absolute Gehorsam gegenüber der Polizei. Etwas, was Deutschen und auch Österreichern fremd ist. Verständlich bei unserer Vergangenheit, in der Polizisten in erster Linie als Vertreter der Obrigkeit gegen das Volk agiert haben. In den USA dagegen hat man diese schlechten Erfahrungen mit Regierung und Exekutive nicht gemacht. Ein Polizist gilt dort als einer von uns und vollzieht nur, was wir, das Volk, als Regeln festgelegt haben. Vom Volk, für das Volk, durch das Volk, wie Abraham Lincoln sagte.
Brinkbäumer schildert also eine Party, auf der es etwas lauter wurde und zu der deshalb die Polizei anrückt. Der Deutsche hat sich gegen die Polizisten aufgelehnt – ganz so, wie man es in Mitteleuropa gewohnt ist – und ist umgehend im Gefängnis gelandet. Merke: Bei uns kann man eventuell mit Polizisten diskutieren, manchmal sogar streiten – nicht so in den USA. Dort nimmt man Befehle ohne Widerrede zur Kenntnis. Wer in den USA gelebt hat, kennt die vielen Erlebnisse, die Brinkbäumer recht
Qunterhaltsam beschreibt. Als er etwa davon erzählt, dass der deutsche Glaser in New York seine Qualität um 40 Prozent heruntergefahren hat, aber alle glücklich über seine Handwerkskunst seien. Weil eben amerikanische Handwerker eine Katastrophe sind und der gerufene Installateur vergangene Woche vielleicht noch Bäcker war, der seinen neuen Beruf im Fernkurs gelernt hat. Ist doch nicht immer ganz so schlecht, das bürokratische System in Europa mit Lehrling, Geselle, Meister samt Gewerbeordnung.
Dazwischen streut Brinkbäumer aktuelle Abhandlungen zu Trump ein, wohl, um Titel und Untertitel halbwegs gerecht zu werden. „Trumptown“und „Trumpland“nennt er die Erklärungen zum Präsidenten und zu den Gründen, die Menschen dazu gebracht haben, ihn zu wählen. Er beschäftigt sich auch mit einer Sorge, die nicht nur leidenschaftliche Gegner Donald Trumps haben: Ist der Mann geistesgestört? Der USPräsident erfülle jedenfalls keine einzige der fünf Eigenschaften, die etwa das Armeehandbuch für einen guten Offizier aufliste: Vertrauen, Selbstkontrolle, Urteilsvermögen, Selbstreflexion, Empathiefähigkeit. Ein endgültiges Urteil traut sich Brinkbäumer freilich auch nicht zu.
Es sind unterhaltsame 500 Seiten, die hier als Etikettenschwindel daherkommen. Als Journalist kennt man das: Artikel werden über den Titel verkauft, das gilt wohl auch für Bücher. Dass nicht drinnen ist, was draufsteht, macht in diesem Fall aber nichts.
Nachruf auf Amerika Das Ende einer Freundschaft und die Zukunft des Westens. 528 S., geb., € 24,70 (S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main)