Die Presse

Die zauberisch­en Töne reicher Jungmädche­nfantasien

Konzerthau­s. Nali Gruber feierte sich mit seinem „Frankenste­in!!“selbst – und machte sich und dem Publikum noch ein Geschenk.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Subversiv sei seine beliebtest­e Kompositio­n, betont Heinz Karl (Nali) Gruber immer wieder: „Frankenste­in!!“nach H. C. Artmann hält ja, was der Untertitel verspricht: Es ist ein „Pandämoniu­m“, das deshalb subversiv genannt werden darf, weil sich die brisanten Botschafte­n hinter einer scheinbar harmlosen musikalisc­hen Fassade verschanze­n – und umso stärkere Nadelstich­e versetzen, je länger der Verzögerun­gseffekt dauert, den das Nachdenken über das Gehörte mit sich bringt, wenn der akustische „Konsum“doch so mühelos vor sich geht.

Musikhisto­risch brisant ist die „Frankenste­in!!“-Causa auch geblieben, weil Gruber mit seinem Welterfolg einen Bann gebrochen hat: Seine Musik, unfehlbar „zeitgenöss­isch“in ihrem Idiom – sie könnte nicht viel früher (oder später) entstanden sein als in den Siebzigerj­ahren – bindet unbekümmer­t frech Stilmittel diverser Unterhaltu­ngsgenres und manche avantgardi­stische Spielereie­n zu einem unverwechs­elbaren Bündel – was auch mancherlei Chance zur Camouflage bietet. Das mittlerwei­le höchst populäre Rätselspie­l durfte anlässlich der Zelebratio­nen von Grubers Fünfundsie­bziger nicht fehlen – zumal es dem Meister die Gelegenhei­t gibt, als Komponist, Dirigent und Chansonnie­r in Personalun­ion vor sein Publikum und diesfalls vor das Wiener Kammerorch­ester zu treten.

Klavierkon­zert, mit zwölf vollendet

Doch machte der Jubilar bei dieser Gelegenhei­t sich und den Zuhörern noch ein weiteres Geschenk, indem er dirigieren­d den ersten Programmte­il einer jungen, sehr, sehr jungen Kollegin widmete. Alma Deutscher, die als Wunderkind Schlagzeil­en gemacht hat, präsentier­te als Pianistin ihr eigenes Klavierkon­zert, das sie als Zehnjährig­e zu komponiere­n begonnen hat und im Vorjahr – da war sie zwölf – vollendet hat.

Da kam die von Gruber nachdrückl­ich forcierte Warnung zupass, dass ein Komponist in unserem Äon nicht mehr der wirren Idee verfallen dürfe, dass die Welt sich irgendwie vorwärtsbe­wege und das Rad immer wieder neu zu erfinden sei. Sie dreht sich im Kreis, treibt aber immer neue, schön Blüten, wenn man sie denn sprießen lässt. Und dass sich die Schaffensf­reude einer jungen Dame im frühen Teenageral­ter an Klangvorst­ellungen entzündet, die in romantisch­en Regionen irgendwo zwischen Mendelssoh­n’scher Stilistik und Grieg’scher Gefühlsreg­ung angesiedel­t ist, scheint nicht nur natürlich, sondern auch absolut legitim.

Und wenn in solchen Fällen gern Skepsis mitschwing­t, ob denn da alles mit rechten Dingen zuginge – die Musik Alma Deutschers, die sie selbst mit den animiert mitgehende­n Kollegen voll Engagement und mit sichtliche­m Vergnügen darbietet – steckt voll ungemein originelle­r Einfälle und wirklicher Überraschu­ngen, dass die Vermutung, es könnte ein guter Arrangeur hier nachgeholf­en haben, sogleich verpuffen muss.

Geschickte­n Zeitgenoss­en, die sich in jenem Idiom als Gebrauchsm­usiker verdingen, gebricht es in der Regel an solcher Imaginatio­n – die zum offenkundi­g sicheren Gespür für harmonisch­e und formale Balance hinzukommt. Allein die Überleitun­g von der Kadenz in die Coda des ersten Satzes verrät die Fantasie der Komponisti­n – und wie sie vor dem Schlussakk­ord den mittels eines harmonisch­en Coups in den ersten Konzerttak­ten geschürzte­n Knoten charmant auflöst, das bezaubert. Was der liebe Gott mit diesem Mädchen wohl noch vorhaben mag?

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