Die zauberischen Töne reicher Jungmädchenfantasien
Konzerthaus. Nali Gruber feierte sich mit seinem „Frankenstein!!“selbst – und machte sich und dem Publikum noch ein Geschenk.
Subversiv sei seine beliebteste Komposition, betont Heinz Karl (Nali) Gruber immer wieder: „Frankenstein!!“nach H. C. Artmann hält ja, was der Untertitel verspricht: Es ist ein „Pandämonium“, das deshalb subversiv genannt werden darf, weil sich die brisanten Botschaften hinter einer scheinbar harmlosen musikalischen Fassade verschanzen – und umso stärkere Nadelstiche versetzen, je länger der Verzögerungseffekt dauert, den das Nachdenken über das Gehörte mit sich bringt, wenn der akustische „Konsum“doch so mühelos vor sich geht.
Musikhistorisch brisant ist die „Frankenstein!!“-Causa auch geblieben, weil Gruber mit seinem Welterfolg einen Bann gebrochen hat: Seine Musik, unfehlbar „zeitgenössisch“in ihrem Idiom – sie könnte nicht viel früher (oder später) entstanden sein als in den Siebzigerjahren – bindet unbekümmert frech Stilmittel diverser Unterhaltungsgenres und manche avantgardistische Spielereien zu einem unverwechselbaren Bündel – was auch mancherlei Chance zur Camouflage bietet. Das mittlerweile höchst populäre Rätselspiel durfte anlässlich der Zelebrationen von Grubers Fünfundsiebziger nicht fehlen – zumal es dem Meister die Gelegenheit gibt, als Komponist, Dirigent und Chansonnier in Personalunion vor sein Publikum und diesfalls vor das Wiener Kammerorchester zu treten.
Klavierkonzert, mit zwölf vollendet
Doch machte der Jubilar bei dieser Gelegenheit sich und den Zuhörern noch ein weiteres Geschenk, indem er dirigierend den ersten Programmteil einer jungen, sehr, sehr jungen Kollegin widmete. Alma Deutscher, die als Wunderkind Schlagzeilen gemacht hat, präsentierte als Pianistin ihr eigenes Klavierkonzert, das sie als Zehnjährige zu komponieren begonnen hat und im Vorjahr – da war sie zwölf – vollendet hat.
Da kam die von Gruber nachdrücklich forcierte Warnung zupass, dass ein Komponist in unserem Äon nicht mehr der wirren Idee verfallen dürfe, dass die Welt sich irgendwie vorwärtsbewege und das Rad immer wieder neu zu erfinden sei. Sie dreht sich im Kreis, treibt aber immer neue, schön Blüten, wenn man sie denn sprießen lässt. Und dass sich die Schaffensfreude einer jungen Dame im frühen Teenageralter an Klangvorstellungen entzündet, die in romantischen Regionen irgendwo zwischen Mendelssohn’scher Stilistik und Grieg’scher Gefühlsregung angesiedelt ist, scheint nicht nur natürlich, sondern auch absolut legitim.
Und wenn in solchen Fällen gern Skepsis mitschwingt, ob denn da alles mit rechten Dingen zuginge – die Musik Alma Deutschers, die sie selbst mit den animiert mitgehenden Kollegen voll Engagement und mit sichtlichem Vergnügen darbietet – steckt voll ungemein origineller Einfälle und wirklicher Überraschungen, dass die Vermutung, es könnte ein guter Arrangeur hier nachgeholfen haben, sogleich verpuffen muss.
Geschickten Zeitgenossen, die sich in jenem Idiom als Gebrauchsmusiker verdingen, gebricht es in der Regel an solcher Imagination – die zum offenkundig sicheren Gespür für harmonische und formale Balance hinzukommt. Allein die Überleitung von der Kadenz in die Coda des ersten Satzes verrät die Fantasie der Komponistin – und wie sie vor dem Schlussakkord den mittels eines harmonischen Coups in den ersten Konzerttakten geschürzten Knoten charmant auflöst, das bezaubert. Was der liebe Gott mit diesem Mädchen wohl noch vorhaben mag?