Das Ende einer Spekulation
Franken-Kredite. Die Stadt Wien hat ihre milliardenschwere Währungsspekulation beendet und alle Franken-Kredite in Euro konvertiert. Niederösterreich sitzt noch auf einer Milliarde Franken-Schulden.
Wien ist jetzt seine Franken-Kredite los: Ende April ist die letzte Franken-Schuld in Euro konvertiert worden. Das ist eine gute Nachricht. Denn ein Fremdwährungskredit ist technisch gesehen eine Spekulation auf künftige Zinsen und Währungskurse. Eine wilde dazu: Nichts ist schwieriger vorherzusagen als Devisenkurse. Solche Wetten auf künftige Währungsentwicklungen gelten deshalb auch als hohe Schule der Spekulation, von der Amateure die Finger lassen sollten. Amateure auf diesem glatten Parkett sind selbstverständ- lich auch Landesfinanzreferenten, auch wenn sie das selbst nicht so sehen.
Wiens Noch-Finanzstadträtin, Renate Brauner, hat in ihrer Amtszeit weiß Gott genug angestellt und die Schulden der Stadt Wien auf historische Hochstände explodieren lassen. Aber den Ausstieg aus den Franken-Krediten muss man ihr zugutehalten. Es ist ein Signal dafür, dass auch Politiker niemand daran hindern kann, gescheiter zu werden. Vor drei Jahren, als die Aufhebung der Eurobindung der Schweizer Währung die privaten und öffentlichen Franken-Kreditnehmer in Panik stürzte, klang es noch ganz anders: Der Kurs der Schweizer Währung sei egal, weil man solche Kredite ja in alle Ewigkeit „rollieren“könne, hatte Brauner verkündet. Und der Bürgermeister hatte „Ein Kredit kann nie im Leben Spekulation sein“gebrummt.
Doch, kann er: Als die Wiener in den Achtzigerjahren mit ihrer Franken-Verschuldung begannen, bekam man für einen Euro rund 1,80 Franken. Jetzt sind es gerade einmal 1,20, in der Zwischenzeit waren es sogar nur 1,02. Anders gesagt: Ein Kredit, der damals aufgenommen und seither „rolliert“, das heißt, durch neue Franken-Kredite zurückgezahlt wurde, ist heute um ein Drittel größer als damals. Wenn man weiß, dass Wien in der Spitze (bis 2016) mit 1,99 Milliarden Franken verschuldet war, kann man ermessen, was solche Währungsschwankungen die Steuerzahler kosten. Solche Schwankungen lassen sich durch den Zinsvorteil (die Franken-Zinsen lagen im Schnitt um 1,2 Prozentpunkte unter jenen der Euroschulden) nur schwer kompensieren.
Die Behauptung der Wiener, sie hätten insgesamt aus den Franken-Finanzierungen einen „Vorteil“von 308 Mio. Euro erzielt, ist deshalb schwer zu hinterfragen. Schlauerweise gibt die Stadt zwar den durchschnittlichen Konvertierungskurs (1,1263) an. Aber nicht den Durchschnittskurs, zu dem die Kredite aufgenommen wurden. Dieser dürfte deutlich über 1,50 liegen, womit ein „Vorteil“gegenüber einer Eurofinanzierung sehr nach Märchen aus Tausendundeiner Nacht klingt.
Aber immerhin: Die Spekulation ist beendet. Das ist nicht selbstverständlich. Vor allem in den Nullerjahren haben sich ja mehrere Länder und sehr viele Gemeinden zu wilden Kredit- und Swapkonstruktionen hinreißen lassen, die meist in hohen Verlusten geendet sind.
Niederösterreich beispielsweise sitzt noch immer auf Fremdwährungskrediten über rund eine Milliarde Franken. Teilweise in gewagten Konstruktionen. So wurden etwa Norwegische Kronen aufgenommen und in Schweizer Franken „geswapt“. Die Niederösterreicher machen keine Anstalten, diese Währungsspekulationen zu beenden. Und sie weisen – im Gegensatz zu den Wienern – im Landesrechnungsabschluss nicht einmal ihre Kursverluste aus: Dort stehen die Kredite einfach zu den Kursen zur Zeit der Kreditaufnahme. Womit der wahre Schuldenstand des Landes wohl deutlich höher ist als im Rechenwerk ausgewiesen. Diese unseriöse Darstellungsweise ist übrigens durch ein Landesgesetz abgesichert.
Wie auch immer. Wien ist seine Franken-Schulden los, und damit auch eine wesentliche Unsicherheit. Ob der Ausstiegszeitpunkt glücklich gewählt war, weiß man in solchen Fällen immer erst im Nachhinein. Aber jedenfalls gibt es im Budget kein Spekulationsrisiko mehr. Jetzt sollte man österreichweit dafür sorgen, dass sich dieses finanzielle Hasard nicht mehr wiederholen kann. Die derzeitigen Bestimmungen über risikoaverse Veranlagung sind dazu ganz offenbar noch nicht ausreichend.