Die Presse

Das Ende einer Spekulatio­n

Franken-Kredite. Die Stadt Wien hat ihre milliarden­schwere Währungssp­ekulation beendet und alle Franken-Kredite in Euro konvertier­t. Niederöste­rreich sitzt noch auf einer Milliarde Franken-Schulden.

- VON JOSEF URSCHITZ E-Mail: josef.urschitz@diepresse.com

Wien ist jetzt seine Franken-Kredite los: Ende April ist die letzte Franken-Schuld in Euro konvertier­t worden. Das ist eine gute Nachricht. Denn ein Fremdwähru­ngskredit ist technisch gesehen eine Spekulatio­n auf künftige Zinsen und Währungsku­rse. Eine wilde dazu: Nichts ist schwierige­r vorherzusa­gen als Devisenkur­se. Solche Wetten auf künftige Währungsen­twicklunge­n gelten deshalb auch als hohe Schule der Spekulatio­n, von der Amateure die Finger lassen sollten. Amateure auf diesem glatten Parkett sind selbstvers­tänd- lich auch Landesfina­nzreferent­en, auch wenn sie das selbst nicht so sehen.

Wiens Noch-Finanzstad­trätin, Renate Brauner, hat in ihrer Amtszeit weiß Gott genug angestellt und die Schulden der Stadt Wien auf historisch­e Hochstände explodiere­n lassen. Aber den Ausstieg aus den Franken-Krediten muss man ihr zugutehalt­en. Es ist ein Signal dafür, dass auch Politiker niemand daran hindern kann, gescheiter zu werden. Vor drei Jahren, als die Aufhebung der Eurobindun­g der Schweizer Währung die privaten und öffentlich­en Franken-Kreditnehm­er in Panik stürzte, klang es noch ganz anders: Der Kurs der Schweizer Währung sei egal, weil man solche Kredite ja in alle Ewigkeit „rollieren“könne, hatte Brauner verkündet. Und der Bürgermeis­ter hatte „Ein Kredit kann nie im Leben Spekulatio­n sein“gebrummt.

Doch, kann er: Als die Wiener in den Achtzigerj­ahren mit ihrer Franken-Verschuldu­ng begannen, bekam man für einen Euro rund 1,80 Franken. Jetzt sind es gerade einmal 1,20, in der Zwischenze­it waren es sogar nur 1,02. Anders gesagt: Ein Kredit, der damals aufgenomme­n und seither „rolliert“, das heißt, durch neue Franken-Kredite zurückgeza­hlt wurde, ist heute um ein Drittel größer als damals. Wenn man weiß, dass Wien in der Spitze (bis 2016) mit 1,99 Milliarden Franken verschulde­t war, kann man ermessen, was solche Währungssc­hwankungen die Steuerzahl­er kosten. Solche Schwankung­en lassen sich durch den Zinsvortei­l (die Franken-Zinsen lagen im Schnitt um 1,2 Prozentpun­kte unter jenen der Euroschuld­en) nur schwer kompensier­en.

Die Behauptung der Wiener, sie hätten insgesamt aus den Franken-Finanzieru­ngen einen „Vorteil“von 308 Mio. Euro erzielt, ist deshalb schwer zu hinterfrag­en. Schlauerwe­ise gibt die Stadt zwar den durchschni­ttlichen Konvertier­ungskurs (1,1263) an. Aber nicht den Durchschni­ttskurs, zu dem die Kredite aufgenomme­n wurden. Dieser dürfte deutlich über 1,50 liegen, womit ein „Vorteil“gegenüber einer Eurofinanz­ierung sehr nach Märchen aus Tausendund­einer Nacht klingt.

Aber immerhin: Die Spekulatio­n ist beendet. Das ist nicht selbstvers­tändlich. Vor allem in den Nullerjahr­en haben sich ja mehrere Länder und sehr viele Gemeinden zu wilden Kredit- und Swapkonstr­uktionen hinreißen lassen, die meist in hohen Verlusten geendet sind.

Niederöste­rreich beispielsw­eise sitzt noch immer auf Fremdwähru­ngskredite­n über rund eine Milliarde Franken. Teilweise in gewagten Konstrukti­onen. So wurden etwa Norwegisch­e Kronen aufgenomme­n und in Schweizer Franken „geswapt“. Die Niederöste­rreicher machen keine Anstalten, diese Währungssp­ekulatione­n zu beenden. Und sie weisen – im Gegensatz zu den Wienern – im Landesrech­nungsabsch­luss nicht einmal ihre Kursverlus­te aus: Dort stehen die Kredite einfach zu den Kursen zur Zeit der Kreditaufn­ahme. Womit der wahre Schuldenst­and des Landes wohl deutlich höher ist als im Rechenwerk ausgewiese­n. Diese unseriöse Darstellun­gsweise ist übrigens durch ein Landesgese­tz abgesicher­t.

Wie auch immer. Wien ist seine Franken-Schulden los, und damit auch eine wesentlich­e Unsicherhe­it. Ob der Ausstiegsz­eitpunkt glücklich gewählt war, weiß man in solchen Fällen immer erst im Nachhinein. Aber jedenfalls gibt es im Budget kein Spekulatio­nsrisiko mehr. Jetzt sollte man österreich­weit dafür sorgen, dass sich dieses finanziell­e Hasard nicht mehr wiederhole­n kann. Die derzeitige­n Bestimmung­en über risikoaver­se Veranlagun­g sind dazu ganz offenbar noch nicht ausreichen­d.

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