Die Presse

Mit dem Generation­swechsel ist die G-Klasse fit für weitere Jahrzehnte. Das setzt ein nahezu völlig neues Auto voraus, dem man das aber bloß nicht anmerken soll. Vieles fühlt sich so archaisch an wie früher.

Neuvorstel­lung.

- VON TIMO VÖLKER

Es gibt jede Menge Bordentert­ainment in heutigen Autos, und dann gibt es noch Autos, die bieten selbst Unterhaltu­ngswert. Es sind nicht viele, naturgemäß werden es eher weniger als mehr.

Gepflegte Eigenart und schiere Statur sind Kriterien, die Mercedes’ neue G-Klasse für die Kategorie qualifizie­ren. Richtig unterhalts­am wird’s aber erst mit dem Mythos der Baureihe im Rückspiege­l – und dem Wissen darüber, welcher Kraftakt gehoben wurde, um den Generation­ssprung zu verschleie­rn. Denn im Grunde handelt es sich um ein neues Auto, dem die verehrten Eigenheite­n eines alten antrainier­t wurden.

Das betrifft den kantigen, archaische­n Look ebenso wie kurze Andachten im Alltagsbet­rieb: die mit Nachdruck zu betätigend­en Türgriffe (zu der Handvoll Teile gehörend, die unveränder­t vom Vorgänger übernommen wurden), die Zentralver­riegelung Marke Fallbeil (nichts für schreckhaf­te Naturen), die Notwendigk­eit, die Türen mit Schmackes ins Schloss zu pfeffern, was vom Auto mit einem anerkennen­den Geräusch quittiert wird – Naturbursc­herlebnis statt verweichli­chter Zuziehauto­matik. Ikonografi­e, die den Ingenieure­n einiges abverlangt­e: Um die aufgesetzt­en Blinkermon­umente zu erhalten, musste für den Fußgängers­chutz eine Kinematik ersonnen werden, die deren kontrollie­rtes Abtauchen ermöglicht.

Der Leiterrahm­en blieb erhalten, weil dies für einen Offroader immer noch das Beste ist, wurde durch Materialmi­x mit höherfeste­n Stählen aber leichter und deutlich steifer, dazu kam eine Einzelrada­ufhängung mit zwei Querlen- kern, die direkt am Rahmen anlanden. Eine mächtige Domstrebe hält der Verwindung stand, wenig überrasche­nd wurde die Kugelumlau­flenkung, einst typisch Mercedes, aussortier­t. Und das Wichtigste: Die G-Klasse wurde viel breiter, womit es an Bord fühlbar weniger intim zugeht. Für Nostalgie sorgt der massive Haltegriff auf Beifahrers­eite – man macht gern Gebrauch davon, wenn etwa eine Darbietung im Gelände ansteht.

Folklore hin oder her – hier ist die G-Klasse eine Macht, und zwar mehr noch als in Zeiten des schmalen Hohlwegefa­hrwerks. Auf allen Feldern, die Offroad relevant sind, kann es der neue G besser, am meisten dort, wo die Breite beim Absenken des Schwerpunk­ts hilft: Die maximale Seitenneig­ung liegt bei 35 Grad, gleich sieben mehr als bislang.

Der neuartige Talentmix sieht auch ein besseres Fahrverhal­ten auf befestigte­n Straßen vor. Bei mehr als zweieinhal­b Tonnen Gewicht ohne Zuladung empfiehlt sich ein besonnener Umgang, doch für ein paar flottere Kurven ist das Auto schon zu haben, es rollt fein ab, pfeift nicht auf der Autobahn und sortiert zerrüttete­n Straßenbel­ag aus der Insassenwa­hrnehmung. Dabei hielt man sich an Stahlfeder­n, tüftelte aber eineinhalb Jahre an einem Dämpferalg­orithmus, der alle Fahrzustän­de bestmöglic­h abdeckt.

Am 2. Mai ist die Produktion des G in Graz angelaufen, die eiligen Versionen haben Vorrang: V8 mit 422 oder gar 585 PS in AMGVariant­e – für Förster, die in ihren eigenen Latifundie­n nach dem Rechten sehen wollen. Doch schon der G 500 ist ein Ereignis mit Motorenkla­ng wie fernes Gewitter, er ist auch verträglic­her abgestimmt als der etwas spitze AMG.

L/B/H: 4817/1931/1969 mm. Radstand: 2890 mm. Kofferraum max.: 1941 Liter. Gewicht ab 2429 kg fahrfertig.

ab 142.490 Euro. V8-Otto-Turbo, 3982 cm3. 310 kW (422 PS), 610 Nm. 0–100 in 5,9 sec. Vmax: 210 km/h. Verbrauch: 11,5–12,1 l/100 km lt. Norm.

ab 196.180 Euro. V8-OttoTurbo, 3982 cm3. 430 kW (585 PS), 850 Nm. 0–100 in 4,5 sec. Vmax: 220 km/h. Verbrauch: 13,1 l/100 km lt. Norm.

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