Die Presse

Djokovi´c’ Tiroler Krisenmana­ger

Tennis. Um an Erfolge vergangene­r Tage anzuschlie­ßen, holt der ehemalige Weltrangli­stenerste Novak Djokovi´c seinen langjährig­en Fitnesstra­iner Gebhard Gritsch zurück ins Betreuerte­am.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Ein Cafe´ in Belgrad, Gebhard Gritsch nutzt die kurze Pause zur Entspannun­g. Der Tiroler ist nicht hier, um den Frühling in Serbiens Hauptstadt zu genießen, auf dem Tagesprogr­amm steht wieder stundenlan­ges Schuften. Niemand Geringerer als Novak Djokovic´ beanspruch­t die Dienste des österreich­ischen Fitnesstra­iners und Ernährungs­beraters im Novak-Tenniscent­er, einem an der Donau gelegenen Komplex.

Gritsch und Djokovic´ kennen einander schon eine kleine Ewigkeit. Acht Jahre lang waren die beiden ein Team, bis zu 40 Wochen im Jahr begleitete der Tiroler den Serben rund um den Globus. Bis Mai 2017, als sich der krisengebe­utelte Djokovic´ überrasche­nd von seinem kompletten Trainersta­b trennte, in der Hoffnung, neue Reize würden alte Erfolge hervorbrin­gen. Doch weder sein umstritten­er spanischer Mentalcoac­h Pepe Imaz noch der frühere Superstar Andre Agassi konnte Djokovic´ in die Erfolgsbah­n lenken. Es hagelte Niederlage­n gegen Spieler, die bis vor zwei Jahre fürchten mussten, vom zwölffache­n Grand-SlamChampi­on nach allen Regeln der Tenniskuns­t gedemütigt zu werden. Eine langwierig­e Ellbogenve­rletzung war einer triumphale­n Rückkehr des ehemaligen Branchenpr­imus ebenfalls nicht dienlich.

Jüngste Auftaktnie­derlagen in Miami, Indian Wells und Barcelona sowie die Einsicht, keine Fortschrit­te zu erzielen, haben Djokovic´ nun zu der Erkenntnis gebracht, Grundlegen­des ändern zu müssen. Also reaktivier­te er vor dem Turnier in Monte Carlo mit Langzeitco­ach Marjan Vajda jenen Mann, der von 2006 bis 2017 an seiner Seite gestanden war und für die größten Erfolge mitverantw­ortlich gezeichnet hatte. Dem nicht genug, bat Djokovic´ nun auch Gritsch um Unterstütz­ung, ließ ihn vergangene Woche zum Turnier in Barcelona einfliegen. Gritsch sollte sich ein Bild vom Zustand des Mannes aus Belgrad machen.

Lang überlegen musste der 61-Jährige nicht, hier geht es nicht um Geld oder Anerkennun­g, es ist vielmehr ein Freundscha­ftsdienst. „Novak“, sagt Gritsch im Gespräch mit der „Presse“, ist in einer sehr schwierige­n Situation. Wenn ich helfen kann, dann tue ich das gern.“

Also wird dieser Tage an allen möglichen Schrauben gedreht. Gritsch kümmert sich um Biomechani­k und Fitness seines langjährig­en Wegbegleit­ers, Vajda um Tennisspez­ifisches. „Wir waren immer ein sehr gutes Team“, sagt Gritsch, der bereits erste Fortschrit­te zu erkennen glaubt. „Gefühlsmäß­ig hilft Novak allein schon die Tatsache weiter, dass wir wieder mit ihm auf dem Platz stehen. Er weiß genau, wie wir arbeiten.“

Djokovic,´ Vajda, Gritsch: Es ist so etwas wie das Treffen alter Bekannter in Belgrad, zum großen Familiengl­ück fehlt eigentlich nur Boris Becker, der den „Djoker“zu sechs Grand-Slam-Titeln geführt hat. Eine Rückkehr des Deutschen ist derzeit aber nicht absehbar, „vielleicht stellt sich die Frage später irgendwann einmal“, sagt Gritsch. „Boris war immer sehr gut in der Analyse und unheimlich wettkampfe­rfahren.“

Bis inklusive der French Open will Gritsch Djokovic´ vorerst betreuen, weitere Details wurden noch nicht besprochen. Um es wieder ganz nach oben zu schaffen, müsse vor allem die Einstellun­g stimmen, meint Gritsch: „Als Novak die Zusammenar­beit vor einem Jahr beendet hat, wollte er den Sieg nicht genug, hat nicht intensiv genug trainiert. Um aber ganz oben zu stehen, muss alles passen.“

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