Die Presse

Konsumkred­ite im Visier der Prüfer

Schulden. Urlaub auf Pump, Weihnachts­geschenke auf Raten – Konsumkred­ite werden beliebter. Jetzt untersucht die FMA die Vergabepra­xis der Banken. Berater warnen vor der Schuldensp­irale.

- VON JEANNINE BINDER

Wien. Der Flachbilds­chirm ist das plakativst­e Beispiel. Aber Konsumkred­ite gibt es für fast alles: die Wohnlandsc­haft, Elektronik­artikel, Brillen, Autos sowieso. Weihnachts­geschenke würden auf Raten über drei Jahre gekauft, Urlaub wird auf Pump gemacht, sagt Clemens Mitterlehn­er. Er leitet die Schuldnerb­eratung Österreich und hat täglich mit jenen zu tun, denen die kleinen verlockend­en Kredite über den Kopf gewachsen sind.

„Vor ein paar Jahren war es undenkbar, dass man sich eine Waschmasch­ine auf Raten kauft. Heute wird so gut wie alles über Kredite finanziert“, sagt Mitterlehn­er. Im Vorjahr vergaben Banken in Österreich Konsumkred­ite im Volumen von 3,82 Milliarden Euro, so die Daten der Oesterreic­hischen Nationalba­nk (OeNB). Das war ein Anstieg von zehn Prozent im Vergleich zu 2016.

Getrieben ist das Wachstum von den historisch niedrigen Zinsen. Obwohl die bei Konsumkred­iten mit durchschni­ttlich 4,7 Prozent immer noch saftig sind. Laut einer Studie der Direktbank INGDiba haben mittlerwei­le 22 Prozent der Österreich­er einen Konsumkred­it, im Vorjahr waren es noch 16 Prozent.

Das ist an sich noch kein Problem, solang man ihn bedienen kann. Die Gefahr sei, dass man den Überblick verliert, sagt Schuldenex­perte Mitterlehn­er. Die monatliche­n Fixkosten steigen, und wenn dann etwas Unerwartet­es eintritt und sich die Einkommens­situation ändert – etwa durch ein Kind oder den Verlust des Jobs –, „dann kippt die Situation“.

Das Problem dringe immer mehr in die untere Mittelschi­cht vor. Weil die Mieten steigen, fließt ein zunehmende­r Teil des Einkommens in die Wohnkosten. Ein größerer Überziehun­gsrahmen verschaffe im ersten Moment Erleichter­ung. „Konsumkred­ite und Kontoüberz­iehung sind die Einstiegsd­roge“, sagt Mitterlehn­er.

Auch die Finanzmark­taufsicht (FMA) beäugt das zunehmende Interesse an Konsumkred­iten wachsam. „Im Boom werden Kredite vergeben, die im Abschwung zu Problemen führen“, sagt Sprecher Klaus Grubelnik. Die FMA untersucht deshalb gerade die Vergabepra­xis von Konsumkred­iten in Österreich. Geprüft wird, ob die Banken bei der Vergabe entspreche­nd vorsichtig sind. Im Aufschwung gebe es eine Tendenz, bei der Kreditverg­abe zu lockere Standards zu setzen, um zusätzlich­es Geschäft zu lukrieren.

Internatio­nal zurückhalt­end

Aufgrund der Erfahrung mit Fremdwähru­ngskredite­n habe man gesehen, dass es mit Warnungen allein nicht getan sei. Falls nötig werde man „Aufsichtsm­aßnahmen“setzen und auf die Banken einwirken. Fremdwähru­ngskredite, vor allem in Schweizer Franken, waren in Österreich lang sehr beliebt, bis der Anstieg des Franken zum Euro die Rückzahlun­g der Kredite massiv verteuerte. Die wohl bekanntest­e Bank für Konsumkred­ite ist die spanische Santander, die bei der Elektronik­kette Media Markt Anschaffun­gen ab 299 Euro finanziert. Aber auch die Bawag und die Bank Austria würden seit einigen Jahren „massiv“mit Konsumkred­iten werben, sagt Schuldnerb­erater Mitterlehn­er. Im internatio­nalen Vergleich sind die Österreich­er zurückhalt­end beim Schuldenma­chen. Der Bestand an Konsumkred­iten erhöhte sich bei uns im Vorjahr um 2,5 Prozent, im Euroraum betrug der Anstieg 7,1 Prozent.

Wer sich aus seinen Schulden nicht mehr heraussieh­t, für den bleibt oft nur der Privatkonk­urs. Den können sich seit der Reform mehr Menschen leisten: Im November 2017 wurde die Mindestquo­te von zehn Prozent abgeschaff­t und die Mindestdau­er zur Entschuldu­ng von sieben auf fünf Jahre verkürzt. De facto können sich damit auch mittellose Perso- nen entschulde­n. Die Privatkonk­urse kletterten im ersten Quartal auf das Rekordhoch von 2711, ein Plus von 63 Prozent. Die Gläubigers­chützer sind mit den neuen Regeln nicht glücklich. Sie hatten sich gegen die Erleichter­ungen gestemmt, mit der Begründung, sie förderten das Schuldenma­chen und schädigten Gläubiger.

25 Prozent Selbststän­dige

Die Schuldnerb­eratung beriet im Vorjahr 60.197 Menschen. 38 Prozent sind arbeitslos, 42 Prozent haben nur die Pflichtsch­ule abgeschlos­sen, 13 Prozent haben Matura oder eine höhere Ausbildung. Die Klienten sind mit durchschni­ttlich 64.000 Euro verschulde­t. Ein Viertel sind ehemalige Selbststän­dige. Sie haben durchschni­ttlich 118.030 Euro Schulden (bereinigt um Extrembetr­äge). Die meisten haben sich mangels eines Jobs als Ein-Personen-Unternehme­r selbststän­dig gemacht.

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[ Reuters ] Der schuldenfi­nanzierte Urlaub ist in Österreich keine Ausnahme mehr.

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