Was Trump am Iran-Deal stört
Atomabkommen. Die Gründe, warum der Präsident das 2015 beschlossene Atomabkommen ablehnt, sind vielfältig. Auch die US-Innenpolitik spielt eine Rolle.
New York. Überraschend ist Donald Trumps Abneigung gegenüber dem Atomabkommen mit dem Iran nicht. Schon im Wahlkampf 2016 hat er den Vertrag als „schlechtesten aller Zeiten“gescholten und versprochen, ihn als Präsident zu kündigen. Das Abkommen wurde 2015 von den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats und Deutschland (5+1) mit dem Iran geschlossen.
Frankreich, Deutschland und Großbritannien lobbyierten wochenlang, um Trump davon abzuhalten, das Abkommen – wie lang befürchtet – am Dienstagabend aufzukündigen. Trumps Ablehnung des Atomvertrags hat mehrere Gründe.
1 Der Vertrag ist zeitlich beschränkt. Der Iran könnte bereits 2025 wieder am Ausbau seines Atomprogramms arbeiten.
In dem in Wien geschlossenen Abkommen verpflichtete sich der Iran unter anderem, die Anreicherung von Uran (letztlich kann das bis hin zu atomwaffenfähigem Uran führen) und die Produktion von Plutonium für zehn Jahre bleiben zu lassen. Die internationale Gemeinschaft, allen voran die USA, warnte damals, dass das Mullah-Regime schon genug Uran zur Verfügung habe, um innerhalb von Monaten den Kern einer oder einiger Atombomben herstellen zu können.
Seit 2015 indes hat der Iran den in der Frage entscheidenden Beobachtern der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien zufolge seinen Bestand an angereichertem Uran den Vorgaben entsprechend reduziert und Anreicherungssysteme (Zentrifugen) deaktiviert. Sollte das Land die Produktion irgendwann wieder aufnehmen, dürfte es zumindest ein Jahr dauern, bis man mengenmäßig an die Schwelle zu einer funktionstüchtigen Nuklearwaffe käme.
Allerdings: Der Deal läuft eben 2025 aus, und wenngleich auch für danach noch Kontrollen vereinbart sind, ist das für Trump und viele Unterstützer doch inakzeptabel.
2 Trump will ein zentrales Wahlversprechen einlösen und vor den Kongresswahlen im Herbst Härte zeigen.
Abgesehen von Obamacare, der von Präsident Barack Obama ausgearbeiteten Gesundheitsreform, gibt es kaum ein Thema, das Trump stärker als den Pakt mit dem Iran kritisiert hat. Er weiß, dass ihn ein Gutteil seiner Anhänger – etwa aus proisraelischen Kreisen – genau deshalb gewählt hat. Daher schielt er bereits auf die im November anstehenden Kongresswahlen. Dabei geht es um die Mehrheit seiner Republikaner im Senat und im Abgeordnetenhaus. Trump weiß, dass Härte gegenüber dem verfeindeten Iran auch in ländlichen Gegenden entscheidende Wählerstimmen bringen kann.
3 Trump steht Israel und Saudiarabien deutlich näher, als Obama und Europa das tun. Entsprechend skeptisch sieht er den Iran-Deal.
Trumps erste Auslandsreise als Präsident 2017 ging nach Saudiarabien und Israel. Sie sind Intimfeinde des Mullah-Regimes und haben den Atomdeal ebenso abgelehnt. Genauso wie die europäischen Länder für einen Verbleib im Abkommen lobbyierten, setzten sich Israel und Saudiarabien für einen Ausstieg ein. Erst vorige Woche präsentierte Israels Premier, Benjamin Netanjahu, angebliche Beweise, wonach der Iran weiterhin an Atomwaffen gearbeitet haben soll. Trump gefiel das, auch wenn die IAEA versicherte, dass man dafür keine Indizien habe.
4 Der Wiener Vertrag erfasst nur das Nuklearprogramm, nicht Irans generelle Rüstung und den Bau nuklearfähiger Waffensysteme.
Der Iran mag etwa seinen Bestand an angereichertem Uran reduziert haben, jedoch entwickelte das Land sein Militär auch so weiter, insbesondere im Sektor weitreichender Raketen. Trump argumentiert, dass die im Zuge des Abkommens aufgehobenen Wirtschaftssanktionen und die Freigabe eingefrorener Gelder dem Iran dabei helfen. Somit würde der Deal zwar die Entwicklung einer Atombombe verzögern, jedoch die militärische Stärke des Iran sogar fördern. Dem Regime sei es möglich, seinen Machtanspruch in der Region aufrechtzuerhalten und indirekt gegen Israel, Saudiarabien und die USA Krieg zu führen, selbst ohne die Aussicht auf eine Atombombe.
5 Das Abkommen hält den Iran nicht davon ab, in Syrien an der Seite Russlands einen Stellvertreterkrieg zu führen.
Der Iran ist der wichtigste Verbündete Russlands in Syrien und laut den USA mitverantwortlich für den Krieg. Für Wladimir Putin und Teheran sind die Gegner von Machthaber Bashar al-Assad „Terroristen“. Deshalb könnten sie Assad im April sogar bei der Ausführung eines mutmaßlichen Giftgasangriffs gegen die eigene Bevölkerung unterstützt haben. Trump hat das stets als rote Linie deklariert und gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien mit konzentrierten Militärschlägen geantwortet. Eine Neuverhandlung des Atomabkommens sieht Trump als Möglichkeit, eine Begrenzung des Einflusses des Iran in der Region zu erreichen und ein erneutes Überschreiten dieser roten Linie zu verhindern.