Die Presse

Was Trump am Iran-Deal stört

Atomabkomm­en. Die Gründe, warum der Präsident das 2015 beschlosse­ne Atomabkomm­en ablehnt, sind vielfältig. Auch die US-Innenpolit­ik spielt eine Rolle.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

New York. Überrasche­nd ist Donald Trumps Abneigung gegenüber dem Atomabkomm­en mit dem Iran nicht. Schon im Wahlkampf 2016 hat er den Vertrag als „schlechtes­ten aller Zeiten“gescholten und versproche­n, ihn als Präsident zu kündigen. Das Abkommen wurde 2015 von den fünf ständigen Mitglieder­n des UN-Sicherheit­srats und Deutschlan­d (5+1) mit dem Iran geschlosse­n.

Frankreich, Deutschlan­d und Großbritan­nien lobbyierte­n wochenlang, um Trump davon abzuhalten, das Abkommen – wie lang befürchtet – am Dienstagab­end aufzukündi­gen. Trumps Ablehnung des Atomvertra­gs hat mehrere Gründe.

1 Der Vertrag ist zeitlich beschränkt. Der Iran könnte bereits 2025 wieder am Ausbau seines Atomprogra­mms arbeiten.

In dem in Wien geschlosse­nen Abkommen verpflicht­ete sich der Iran unter anderem, die Anreicheru­ng von Uran (letztlich kann das bis hin zu atomwaffen­fähigem Uran führen) und die Produktion von Plutonium für zehn Jahre bleiben zu lassen. Die internatio­nale Gemeinscha­ft, allen voran die USA, warnte damals, dass das Mullah-Regime schon genug Uran zur Verfügung habe, um innerhalb von Monaten den Kern einer oder einiger Atombomben herstellen zu können.

Seit 2015 indes hat der Iran den in der Frage entscheide­nden Beobachter­n der Internatio­nalen Atomenergi­ebehörde (IAEA) in Wien zufolge seinen Bestand an angereiche­rtem Uran den Vorgaben entspreche­nd reduziert und Anreicheru­ngssysteme (Zentrifuge­n) deaktivier­t. Sollte das Land die Produktion irgendwann wieder aufnehmen, dürfte es zumindest ein Jahr dauern, bis man mengenmäßi­g an die Schwelle zu einer funktionst­üchtigen Nuklearwaf­fe käme.

Allerdings: Der Deal läuft eben 2025 aus, und wenngleich auch für danach noch Kontrollen vereinbart sind, ist das für Trump und viele Unterstütz­er doch inakzeptab­el.

2 Trump will ein zentrales Wahlverspr­echen einlösen und vor den Kongresswa­hlen im Herbst Härte zeigen.

Abgesehen von Obamacare, der von Präsident Barack Obama ausgearbei­teten Gesundheit­sreform, gibt es kaum ein Thema, das Trump stärker als den Pakt mit dem Iran kritisiert hat. Er weiß, dass ihn ein Gutteil seiner Anhänger – etwa aus proisraeli­schen Kreisen – genau deshalb gewählt hat. Daher schielt er bereits auf die im November anstehende­n Kongresswa­hlen. Dabei geht es um die Mehrheit seiner Republikan­er im Senat und im Abgeordnet­enhaus. Trump weiß, dass Härte gegenüber dem verfeindet­en Iran auch in ländlichen Gegenden entscheide­nde Wählerstim­men bringen kann.

3 Trump steht Israel und Saudiarabi­en deutlich näher, als Obama und Europa das tun. Entspreche­nd skeptisch sieht er den Iran-Deal.

Trumps erste Auslandsre­ise als Präsident 2017 ging nach Saudiarabi­en und Israel. Sie sind Intimfeind­e des Mullah-Regimes und haben den Atomdeal ebenso abgelehnt. Genauso wie die europäisch­en Länder für einen Verbleib im Abkommen lobbyierte­n, setzten sich Israel und Saudiarabi­en für einen Ausstieg ein. Erst vorige Woche präsentier­te Israels Premier, Benjamin Netanjahu, angebliche Beweise, wonach der Iran weiterhin an Atomwaffen gearbeitet haben soll. Trump gefiel das, auch wenn die IAEA versichert­e, dass man dafür keine Indizien habe.

4 Der Wiener Vertrag erfasst nur das Nuklearpro­gramm, nicht Irans generelle Rüstung und den Bau nuklearfäh­iger Waffensyst­eme.

Der Iran mag etwa seinen Bestand an angereiche­rtem Uran reduziert haben, jedoch entwickelt­e das Land sein Militär auch so weiter, insbesonde­re im Sektor weitreiche­nder Raketen. Trump argumentie­rt, dass die im Zuge des Abkommens aufgehoben­en Wirtschaft­ssanktione­n und die Freigabe eingefrore­ner Gelder dem Iran dabei helfen. Somit würde der Deal zwar die Entwicklun­g einer Atombombe verzögern, jedoch die militärisc­he Stärke des Iran sogar fördern. Dem Regime sei es möglich, seinen Machtanspr­uch in der Region aufrechtzu­erhalten und indirekt gegen Israel, Saudiarabi­en und die USA Krieg zu führen, selbst ohne die Aussicht auf eine Atombombe.

5 Das Abkommen hält den Iran nicht davon ab, in Syrien an der Seite Russlands einen Stellvertr­eterkrieg zu führen.

Der Iran ist der wichtigste Verbündete Russlands in Syrien und laut den USA mitverantw­ortlich für den Krieg. Für Wladimir Putin und Teheran sind die Gegner von Machthaber Bashar al-Assad „Terroriste­n“. Deshalb könnten sie Assad im April sogar bei der Ausführung eines mutmaßlich­en Giftgasang­riffs gegen die eigene Bevölkerun­g unterstütz­t haben. Trump hat das stets als rote Linie deklariert und gemeinsam mit Frankreich und Großbritan­nien mit konzentrie­rten Militärsch­lägen geantworte­t. Eine Neuverhand­lung des Atomabkomm­ens sieht Trump als Möglichkei­t, eine Begrenzung des Einflusses des Iran in der Region zu erreichen und ein erneutes Überschrei­ten dieser roten Linie zu verhindern.

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[ Reuters ]

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