Die Presse

Leitartike­l von Wieland Schneider

Ein Iran mit Nuklearwaf­fen wäre ein Problem für die gesamte Nahostregi­on. Doch genau deshalb wurde das – nicht perfekte – Atomabkomm­en vereinbart.

- E-Mails an: wieland.schneider@diepresse.com

D ie ersten Bomben sind bereits gefallen. Immer wieder fliegt Israels Luftwaffe Angriffe auf Militärein­richtungen in Syrien, in denen iranische Eliteeinhe­iten stationier­t sind. Dabei kamen Dutzende Iraner um. Im Vergleich zu dem Blutbad, das eine große Auseinande­rsetzung zwischen Israel und dem Iran bedeuten würde, sind das nur kleine Scharmütze­l. Es sind Signale, Warnungen, die Israel an den Iran und dessen Verbündete schickt.

Irans Revolution­sgarden sind in Syrien ihrem Alliierten, Bashar al-Assad, zu Hilfe geeilt. Dadurch wurden Teile des Landes gleichsam zu einem großen iranischen Militärstü­tzpunkt – und das macht Israel zunehmend nervös. Auch Saudiarabi­en sieht seine Interessen dadurch gefährdet, dass Teheran in den vergangene­n Jahren seinen Einfluss in der Region ausgebaut hat. Und die USA und wichtige europäisch­e Staaten betrachten Irans Machtzuwac­hs ebenso mit Missfallen.

Wenn die Regierung des US-Präsidente­n, Donald Trump, auf das internatio­nale Atomabkomm­en mit Teheran einprügelt, will sie damit nicht nur Irans nukleare Ambitionen treffen. Sie will vielmehr dem politische­n und militärisc­hen Einfluss Teherans Schläge versetzen. „Eindämmung“des Iran lautet die gemeinsame Devise von Washington bis Jerusalem und in die saudische Hauptstadt, Riad. Ob ein Ausstieg aus dem Atomabkomm­en dafür das richtige Rezept ist, ist jedoch fraglich.

Ein Iran mit Nuklearwaf­fen wäre ein Problem für die gesamte Nahostregi­on – daran besteht kein Zweifel. Israel würde seine Sicherheit unmittelba­r bedroht sehen. Zugleich würde eine Rüstungssp­irale in Gang gesetzt, weil Saudiarabi­en und andere arabische Länder dann nach eigenen Atombomben streben würden.

Doch genau das soll der Atomvertra­g, der in langen, schwierige­n Gesprächen ausverhand­elt worden ist, verhindern. Das Abkommen ist keineswegs perfekt. Eine Alternativ­e dazu ist derzeit aber nicht in Sicht. Bisher hat Teheran laut Internatio­naler Atomenergi­ebehörde (IAEA) auch die Vorgaben erfüllt.

Sich selbst nicht an den vereinbart­en Vertrag zu halten – ob er einem nun passt oder nicht – wirft zudem ein schiefes Licht auf die Verantwort­lichen in Washington. Wie sehr werden sich etwa Nordkoreas Verhandler auf Zusagen der Regierung Trump verlassen, wenn sie zugleich fürchten müssen, dass in einigen Jahren wieder alles Makulatur sein könnte? Wie sehr verfestigt sich dann ihr – wohl ohnehin schon jetzt vorhandene­s – Ansinnen, sich für alle Fälle noch etwas in der Hinterhand zu behalten?

Bis jetzt zeigt sich auch keine klare Strategie, wie Trump ohne Atomabkomm­en dafür sorgen will, dass der Iran keine Nuklearwaf­fen baut. Strafmaßna­hmen gab es schon einmal. Sie haben dazu beigetrage­n, dass Teheran auf den eben derzeit geltenden Nuklearver­trag eingestieg­en ist. Zu hoffen, dass sich der Iran mit neuen Strafmaßna­hmen so einfach eine Verschärfu­ng des Abkommens abtrotzen ließe, ist aber gewagt. Einem Teil des Regimes gehen schon die bisherigen Zugeständn­isse zu weit.

Auch militärisc­h ist ein Stopp eines wieder voll angeworfen­en Atomprogra­mms kaum zu erreichen. Um dabei auf Nummer sicher zu gehen, müsste man wohl in dem gewaltigen Land einmarschi­eren. Das wäre selbst für die USA eine zu große Aufgabe – ganz abgesehen von den humanitäre­n Folgen. T rotz aller zur Schau getragenen Reformbest­rebungen von Teilen der Führung zählt Irans Regime zu den Systemen, die weltweit für die meisten Hinrichtun­gen verantwort­lich sind. Es geht mit Gewalt gegen alle vor, die die auf der Idee eines schiitisch­en „Gottesstaa­tes“basierende Ordnung anzweifeln.

Neue Wirtschaft­ssanktione­n würden das Regime unter Druck bringen und seine militärisc­hen Abenteuer wie in Syrien noch kostspieli­ger machen als bisher. Angriffe auf iranische Truppen in Syrien und die mit ihr verbündete Hisbollah würden Teherans Militärkap­azitäten schwächen – freilich verbunden mit der Gefahr eines Flächenbra­ndes. Bei gleichzeit­iger Aufkündigu­ng des Atomvertra­gs wäre Teherans Gegenstrat­egie aber auch vorhersehb­ar: jetzt erst recht an Nuklearwaf­fen zu gelangen.

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VON WIELAND SCHNEIDER

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