So wichtig ist der Iran für den Ölpreis
Öl. Dass die Notierungen für Öl in letzter Zeit so nach oben schossen, lag auch an der Androhung neuer US-Sanktionen gegen den Iran. Trumps Entscheidung wirkt bis zu unseren Zapfsäulen.
Es mag auf den ersten Blick vernachlässigbar erscheinen, was der Iran an Öl aus der Erde holt beziehungsweise auf den Weltmarkt bringt. Von den weltweit knapp 100 Millionen Barrel Gesamtförderung pro Tag deckt das Land etwa vier Prozent ab. Davon flossen im April täglich 2,6 Mio. Barrel auf den Weltmarkt.
Doch das ist nicht nur ein Rekordwert, seit das Land nach der Aufhebung der internationalen Sanktionen im Jänner 2016 überhaupt wieder exportieren darf. In einer Zeit, in der der Ölpreis eine Höhe erklommen hat, wie zuletzt im Herbst 2014, würde jeder Tropfen weniger Produktion den Preis nur noch weiter steigen lassen.
Genau dieses Szenario droht, wenn US-Präsident Donald Trump aus dem Atomabkommen mit dem Iran aussteigt und neue Sanktionen gegen das Land verhängt. Zahlreiche Staaten hatten ihn davor gewarnt. Seine Entscheidung darüber, die er am Dienstagabend bekannt geben wollte, stand zu Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch aus.
Der Teufel liegt im Detail
Wie so oft wird der Teufel im Detail liegen, sprich im Modus der Sanktionen, sofern Trump welche verhängt. „Führen die USA allein Sanktionen ein, hätte dies praktisch keine Auswirkungen auf den Ölmarkt, da die USA ohnehin kein Öl aus dem Iran importieren“, schreibt Eugen Weinberg, Leiter der Abteilung Rohstoffanalyse der Commerzbank: „Bringen die USA hingegen die wichtigsten Importeure von iranischem Öl – China, Indien, die EU, Japan, Südkorea und die Türkei – dazu, die Öllieferungen aus dem Iran innerhalb von 180 Tagen zu reduzieren, würde dies zu einem geringeren Ölangebot führen.“Die zusätzliche Ver- knappung auf dem ohnehin angespannten Markt würde den Preis weiter treiben.
In einem gewissen Ausmaß ist das Szenario in den vergangenen Wochen schon eingepreist worden, weshalb es am Dienstag untertags auch zu Gewinnmitnahmen kam. Freilich, die unklare Situation um den Iran war nur ein Faktor unter vielen, die die Notierung für die maßgebliche Nordseesorte Brent auf über 75 Dollar und die für die US-Sorte WTI auf über 70 Dollar je Barrel hatte steigen lassen. Das ist eine Verteuerung um über 60 Prozent seit Juni des Vorjahres. Wesentlich verantwortlich dafür ist die im Zuge des Wirtschaftswachstums erhöhte Nachfrage nach Öl. Dazu kommt auf der Angebotsseite, dass sich die Organisation Erdöl fördernder Länder (Opec) und zehn andere Förderstaaten unter der Führung Russlands Ende 2016 auf Förderkürzungen geeinigt haben und sich auch daran halten. Dass Venezuela aus Geldmangel geradezu einen Förderkollaps erlitten hat, hat den Engpass nur weiter verschärft. Da half auch nichts, dass die US-Förderung aus Schiefergestein zuletzt massiv ausgeweitet wurde und das Land auf dem Weg ist, spätestens 2019 zum weltweit größten Ölförderer zu avancieren.
Eine Last für die Wirtschaft
Schon jetzt im Mai könnten sich Angebot und Nachfrage auf dem Ölmarkt zum ersten Mal seit Jahren austarieren, prognostiziert die Internationale Energieagentur. Der Preisauftrieb macht der Wirtschaft allmählich zu schaffen. Im Verein mit dem gestiegenen Euro im ersten Quartal, der den europäischen Export belastete, knabberte er am Gewinn. Vor allem die Transportbranche klagt über immer höhere Treibstoffkosten.
Trump selbst hatte sich erst kürzlich über die hohen Ölpreise beschwert, dafür allerdings einseitig die Opec verantwortlich gemacht. Das kommt übrigens einer pikanten Ironie gleich, schließlich wird dem Kartell, das jahrelang unter Bedeutungsverlust litt, plötzlich von Trump ein neues Funktionieren bescheinigt.
Der Iran ist übrigens das drittgrößte Förderland innerhalb der Opec. Auch vor der Aufhebung der Sanktionen Anfang 2016 hat er Öl exportiert – allerdings nur an seine Großkunden China, Indien und Japan. Geld dafür bekam er aber nicht zu sehen – es blieb in den besagten Ländern und liegt noch heute dort, abzüglich der Summe, für die Waren (beispielsweise Lebensmittel) in den Iran dafür geliefert wurden.
Der Geldmangel zeigt sich nicht zuletzt in den mangelnden Investitionen in die Ölindustrie. Laut iranischer Staatsvertreter fehlen dem Sektor 200 Milliarden Dollar an Investitionen.