Die Presse

Im Clinch mit Warschau

Unabhängig­e Justiz. Warschau bietet kosmetisch­e Zugeständn­isse, die der Kommission nicht weit genug gehen. Auch der EuGH ist involviert.

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Gibt es einen Ausweg aus dem verfahrene­n Streit zwischen Polen und der EU um die Unabhängig­keit der Justiz in dem größten osteuropäi­schen Mitgliedst­aat? Kommende Woche wird die Angelegenh­eit in Brüssel vom Rat, dem Gremium der EUMitglied­er, erörtert. Dass es dazu gekommen ist, hat die nationalpo­pulistisch­e Regierung in Warschau der Kommission zu verdanken, die im Dezember erstmals ein Grundrecht­everfahren gemäß Artikel 7 des EU-Vertrags gestartet hat. Die Brüsseler Behörde hält die Entwicklun­g in Polen für derart besorgnise­rregend, dass sie die Angelegenh­eit an den Rat weitergele­itet hat.

Im Kern des Disputs geht es um die politische Kontrolle der Justiz, die die Regierungs­partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) etablieren will – mit dem Argument, viele der heutigen Richter seien noch während der kommunisti­schen Diktatur sozialisie­rt worden und damit kein Garant für Gerechtigk­eit. Die europäisch­en Kritiker sehen darin den ersten Schritt in Richtung Autoritari­smus.

Nach anfänglich­er Blockadeha­ltung versuchen die polnischen Regierungs­vertreter mittlerwei­le, den Streit zu entschärfe­n – nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass mit den nun beginnende­n Verhandlun­gen über den kommenden EU-Budgetrahm­en (von dem Polen zu profitiere­n gedenkt) eine neue Front eröffnet wurde. In Warschau wird mittlerwei­le über diverse Nachjustie­rungen der Justizrefo­rm nachgedach­t. Nach Ansicht der Kommission sind die bisherigen Kompromiss­vorschläge rein kosmetisch­er Natur und damit nicht ausreichen­d, um den Konflikt mit der EU beizulegen.

Ungemach droht den Nationalpo­pulisten auch in Luxemburg, dem Sitz des Europäisch­en Gerichtsho­fs. Am 1. Juni werden die Richter des EuGH erstmals über die Rechtssach­e C-216/18 PPU beraten. Die Causa wird in einem derart schnellen Tempo vorangetri­eben, dass die Unterlagen noch nicht auf der EuGH-Website zur Verfügung gestellt wurden – es geht aber um die Frage, ob Irland einen des Drogenhand­els verdächtig­ten Polen in seine Heimat zurückschi­cken darf. Die zuständige irische Richterin ist sich diesbezügl­ich nicht sicher – weil man Polen aufgrund der Justizrefo­rmen nicht mehr als Rechtsstaa­t behandeln dürfe. Entscheide­n die Luxemburge­r Höchstrich­ter in diesem Sinn, hätte Warschau ein Riesenprob­lem am Hals. Polens Teilnahme am EUBinnenma­rkt beruht nämlich auf der Annahme einer unabhängig­en Justiz. (red.)

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