Die Presse

Wem wollen wir die Klimasünde verbieten?

Eine neue globale Mittelschi­cht leistet sich den Luxus des Reisens. Wir sitzen mit ihr im Glashaus.

- VON ANTONIA LÖFFLER E-Mails an: antonia.loeffler@diepresse.com

Keine Fernreisen mehr? Oder nur mehr mit dem Fahrrad?

Wer es sich leisten kann, fliegt. Und flieht im Winter in wärmere Gefilde. So eine Fernreise ist Statussymb­ol und zeugt von kosmopolit­ischer Geisteshal­tung. Der Umwelt tut man aber nichts Gutes. Doch das wussten wir – die wir unsere Billigflüg­e und Kreuzfahrt­en buchen – auch schon, bevor uns australisc­he Forscher nun ihre Rechnung zum CO2-Abdruck des globalen Tourismus präsentier­ten. Sie fiel schlimmer aus, als bisher gedacht: Die billionens­chwere Industrie stößt acht Prozent des Treibhausg­ases aus. Viermal mehr als bisher angenommen. Der CO2Fußabdr­uck der Reisenden wuchs allein von 2009 bis 2013 um 14 Prozent.

Das australisc­he Papier sorgt für Aufregung. Wie konnte man auf so eine Zahl kommen? Die Antwort: Man war ehrlich und rechnete Essen, Trinken und Souvenirs mit ein. Ein Urlaub bestehe schließlic­h nicht nur aus Hotel und Flug, sondern brauche Tausende Lieferkett­en, die im Hintergrun­d kreuz und quer über die Welt laufen, sagten die Forscher.

Noch schwerer wog aber die zweite Variabel in der Rechnung: der Mensch. Also vor allem die neue Mittelschi­cht in Ländern wie China, Indien oder Mexiko, die sich jetzt öfter einen Flug gönnt. Die reisefreud­igen Chinesen vergrößert­en ihren persönlich­en CO2-Abdruck mit Besuchen in Paris, London oder Hallstatt von allen Nationen mit Abstand am stärksten.

Wer vor der Sommerreis­e nun also denkt, das Problem sei ohnehin nicht in Europa zu finden, liegt falsch. Wir, die das globale Treibhaus gebaut haben – also die reichsten Länder mit einem BIP pro Kopf von mehr als 25.000 Dollar – haben die Hälfte des Zuwachses verursacht. Da zählt Österreich genauso zu den Sündern. Wer sich als kosmopolit­ischer, umweltbewu­sster Mensch sieht, hat bei solchen Zahlen ein Problem. Vor al- lem, weil die Prognosen der Forscher nicht rosig sind – sofern sich das Urlaubsver­halten nicht ändert.

Also keine Fernreisen mehr? Oder nur mehr mit dem Fahrrad? Keine wirkliche Alternativ­e, dürften sich die Wissenscha­ftler aus Sydney gedacht haben. Auch ihre internatio­nalen Kongresse wären so schwer zu bewerkstel­ligen. Also raten sie nicht nur zu näheren Urlaubszie­len, sondern geben eine weitere Lösung. Sie fordern, den internatio­nalen Luftverkeh­r – anders als im Pariser Abkommen – voll in die Pflicht zur CO2-Reduktion zu nehmen. Das soll 15 Prozent aller Emissionen im Tourismus einsparen.

Die Chancen dafür stehen aber schlecht. So will US-Präsident Donald Trump ja sogar ganz aus dem Pariser Vertrag aussteigen. Und damit ginge die Touristeng­ruppe mit dem größten CO2-Abdruck verloren. Das sind nach wie vor die US-Amerikaner. Nur, falls jemand jetzt nach China zeigen will.

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