Meisterliche Vorlagen für den Pianisten-Egotrip
Khatia Buniatishvili sorgte im Konzerthaus für atemlose Stille bei allerlei Bravourakten am Steinway.
Ein majestätischer Auftakt mit Akkordgedonner, als müsste ein riesiges Orgelwerk in Gang gesetzt werden: Khatia Buniatishvili steigt selbstbewusst in Brahms’ f-moll-Sonate ein. Und sie macht sofort klar, wer der Herr im Haus ist: Brahms stellt einer extrovertierten Pianistin eine weiträumige Rhapsodie als Grundlage für ein klangliches Wechselbad der Gefühle zur Verfügung. Da vergisst das aufmerksame Publikum zu husten!
Ein Kraftwerk von Virtuosität entlädt sich. Das Bild spricht für sich – eine junge, wilde Schönheit, deren schwarze Lockenpracht und ärmellose schwarze Robe sich mit dem Steinway-Lack beinahe zur extravaganten Skulptur vermengen.
Das Programm: ein versuchtes Kaleidoskop. Wer möchte schon Brahms unterstellen, er hätte als 18-Jähriger vielleicht schon eine siebente Symphonie im Hinterkopf gehabt, aber davon nur den Klavierauszug zu Papier bringen können? Ohne viel Rücksicht auf Form und Struktur streift Buniatishvili durch die Landschaft, ehe sie im liedhaften Andante doch zu berückenden Klangvaleurs findet. Leise und noch leiser – aber der keusche Ton trägt wunderbar durch die Weite des Großen Konzerthaussaals.
Dann nonchalant das Scherzo hingehudelt, ehe die Dramatik des Finales im Nichts zu enden scheint, als wäre die Pianistin davon ebenso überrascht worden wie das Wiener „Fachpublikum“, das diesmal seine Werkkenntnis wohl zu Hause vergessen hat . . .
Der Stern der gebürtigen Georgierin ging einst in Lockenhaus auf, ehe sie an der Wiener Musik-Uni unter den Fittichen von Oleg Maisenberg zwischenlandete und dann die große Karriere begann. Von Maisenbergs Jahrhundertbegabung für Poesie konnte sie aber herzlich wenig mitnehmen. So diente der zweite Programmteil weniger der Musik als sportiver Virtuosität bis zum Bewunderung provozierenden Exzess, noch portioniert bei Tschaikowskys „Nussknacker“-Suite (in der praktikablen Bearbeitung Mikhail Pletnevs), wiewohl die Pianistin bereits hier der Versuchung des „Horowitzelns“nicht ganz widerstand. Dann, als wäre Franz Liszt das Maß aller Dinge, führten dessen „Rhapsodie espagnole“und die „Don Juan“-Reminiscences´ in die umjubelte Zielgerade. Das Feuerwerk war fast abgebrannt. (gü)