Die Argerich und die Petitessen eines Genies
Der Debussy-Zyklus mit Daniel Barenboim und der Berliner Staatskapelle begann mit Entdeckungen.
In seinen Jugendjahren hat Claude Debussy eine „Fantaisie“für Klavier und Orchester komponiert – ein Einzelfall in der Werkreihe dieses Meisters, der als Pianist für sein Instrument so wegweisende Stücke vorlegte wie er als visionärer Klangregisseur die Orchesterliteratur bereicherte. Nicht von ungefähr bezeichnete ihn ein Paradeavantgardist wie Pierre Boulez als einen der Ahnväter der Moderne.
In diesem Sinne wurde den Besuchern des Einstandskonzertes der Staatskapelle Berlin zum Debussy-Schwerpunkt im Musikverein rasch klar, warum Debussy dieses „Klavierkonzert“ad acta gelegt hat. Von seiner künstlerischen Vision ist da noch nichts zu spüren.
Freilich, wenn eine Großmeisterin vom Format der Martha Argerich erscheint, um sich der jugendlich-unreifen „Fantaisie“anzunehmen, lauscht man begeistert, denn Gelegenheit, pianistisches Raffinement und Behändigkeit unter Beweis zu stellen, bietet das Stück in Hülle und Fülle. In einem Gedenkjahr zumal lohnt es sich, eine solche Rarität ans Licht zu holen. Es kommt ja immer auch sehr darauf an, wer leuchtet.
Im Falle des Orchesters der Berliner Lindenoper und seines langjährigen Chefdirigenten haben wir es überdies ja mit einem lang aufeinander eingespielten Team zu tun, das auf die Erzeugung eines harmonischen Klangs trainiert ist und schon beim eingangs gespielten „Prelude´ a` l’apres-´midi d’un faune“dunkel leuchtende, auch im Pianissimo satt samtige Töne hören ließ, geführt von einem hinreißend geschmeidigen Flötensolo.
Die abschließenden „Images“litten dann doch ein wenig an orchestraler und dirigentischer Besonnenheit. Schön klang das alles, auch klug differenziert und durch den oft eher geschärften als seidigen Geigenklang der Primgruppe in jene interpretatorische Richtung getrimmt, die sanft gemischtes Farbenspiel in Sachen „Impressionismus“für weniger wichtig hält als die deutliche Auffächerung des instrumentationstechnischen Flechtwerks. Von den titelgebenden „parfums“war wenig zu bemerken. Dafür gab die Zugabe – eine Debussy-Petitesse für Klavier zu vier Händen – einen Vorgeschmack auf den Argerich-Barenboim-Abend am Freitag. (sin)