Gegen das Brett vorm Kopf hilft Demokratie. Und Bildung
Ein weiteres Erstarken antidemokratischer Subkulturen wird unser demokratisches Lebensmodell rasch ruinieren.
F remd sein oder dazugehören? Diese Spannung beherrscht die Menschen, seit es sie gibt. Die Frage wird daher auch beim heurigen Biologicum (von 4. bis 6. Oktober) diskutiert: Skepsis gegenüber „den Fremden“kann als menschliche Universalie gelten. Dies bedeutet aber nicht, dass wir dazu verurteilt sind.
Die Erfahrung lehrt ja: Unsere Zeitgenossen streuen über ein weites Kontinuum von offen und fremdenfreundlich bis zu extrem xenophob. Dass eine gewisse Skepsis gegen Gruppenfremde und deren Gepflogenheiten grundgelegt ist, bedeutet also nicht, dass wir „von Natur aus“fremdenfeindlich sein müssen. Fremdenfreundlich übrigens auch nicht. Überraschung aber auch: Wie viele unserer mentalen Neigungen hängt das tatsächliche Denken und Handeln der Leute zwischen den Polen Xenophobie und Xenophilie von der individuellen Vorgeschichte ab, von der Persönlichkeit, vor allem aber vom aktuellen gesellschaftlichen Zusammenhang.
Dies bestätigte eine neue Studie chinesischer Wissenschaftler, die nicht gerade chinakonform feststellten, dass Demokratie die Toleranz gegenüber Fremden fördert. Dies bewirken vor allem die demokratischen Gepflogenheiten, etwa, die eigenen Rechte in Wahlen vertreten zu können und dabei verschiedene Meinungen zu hören und zu diskutieren. Die Autoren sammelten repräsentative Umfragen in 33 Staaten und zeigten eine positive Beziehung zwischen dem Grad an Demokratie und der Toleranz gegenüber Fremden. Zudem ergab der experimentelle Teil ihrer Untersuchung, dass Leute, die über eine bestimmte Frage diskutierten und abstimmen konnten, toleranter gegenüber Gruppenfremden waren als eine Vergleichsgruppe, der dies verwehrt wurde.
Damit keimt der naheliegende Verdacht, dass die zunehmenden Demokratiedefizite in manchen Staaten – selbst innerhalb der EU – nicht ausschließlich über Mängel in den Bildungssystemen die Abschottung gegenüber fremden Menschen und neuen Konzepten begünstigen, sondern dass vielmehr ein direkter Zusammenhang zwischen Demokratiedefiziten und Intoleranz besteht. D ie Kausalität könnte dabei in beide Richtungen laufen: dass also eine ausgeprägte Fremdenfeindlichkeit, wie sie im Osten Deutschlands beziehungsweise generell in Mittelosteuropa grassiert, ihrerseits die Entwicklung demokratischer Strukturen und Gepflogenheiten behindert. Die teilweise geringen Wahlbeteiligungen in diesen Ländern stützen meine These.
Daraus folgt fast schon die Gewissheit, dass Menschen, die die Demokratie etwa aufgrund ihrer extremen religiösen Orientierung ablehnen – Beispiele dafür liefert nicht nur der Islam, sondern gibt es auch im Juden- und Christentum –, notwendigerweise in geschlossenen Gesellschaften leben, verbunden mit einer zum Teil extremen Intoleranz gegenüber Außenstehenden.
Ein weiteres Erstarken und Ausbreiten solcher antidemokratischen und autoritären Subkulturen wird unser demokratisches Lebensmodell rasch ruinieren. Die demokratisch-humanistische Gesellschaft kann daher nur in nahezu paradoxer Partnerschaft mit der Unduldsamkeit gegenüber den Antidemokraten und Xenophoben überleben.
Eine gute Gelegenheit, nun doch noch mein „ceterum censeo“loszuwerden: An aufgeklärtem Denken, an einer guten Bildung und an einem starken demokratischen Rückgrat führt kein Weg vorbei.