Anrecht auf genug Licht
Nachbarstreit. Das Höchstgericht kommt Bewohnern beim Recht auf Licht weiter entgegen. Auch wenn man beim Erwerb des Grundstücks sehen konnte, dass daneben hohe Bäume wachsen, muss man massiven Schattenwurf nicht akzeptieren.
Auch Zugezogene können sich gegen hohe Bäume wehren.
Fällt zu viel Schatten auf das eigene Anwesen, kann man sich gegen die Bäume in der Nachbarschaft wehren. Es gibt ein Recht auf Licht im Gesetz. Doch neu Zugezogene mussten bisher akzeptieren, dass ihr Grundstück schattig ist, weil sie ja wussten, worauf sie sich einlassen. Ein Urteil des Obersten Gerichtshofs gibt nun allerdings auch neu Zugezogenen unter bestimmten Umständen die Möglichkeit auf sonnige Aussichten.
Im Anlassfall ging es um eine 37 Meter lange Fichtenhecke, die für Schatten am Nachbargrundstück sorgt. Die Hecke ist zwölf bis 15 Meter hoch und besteht aus 70 Bäumen, die im Abstand von einem halben Meter gepflanzt wurden. Das müsse er sich nicht gefallen lassen, meinte ein Mann, der im Jahr 2010 das Nachbargrundstück gekauft hatte, auf dem sich bereits ein Rohbau befand. Eine derart ausgeprägte Bepflanzung wie nebenan sei ortsunüblich, und es sei unzumutbar, mit diesem Lichtentzug auskommen zu müssen, erklärte der Mann.
Selbst schuld, entgegnete sinngemäß die Eigentümerin des Grundstücks, auf dem die Fichtenhecke steht. Die Bepflanzung sei rund um das Jahr 1991 vorgenommen worden. Als der Nachbar etwa zwei Jahrzehnte später sein Grundstück kaufte, habe er schon wissen müssen, dass es dort schattig ist. Und er hätte ja sein Reihenhaus auch in eine andere Richtung ausrichten können. Möglicherweise hätte er dann auf das dritte Obergeschoß verzichten müssen, aber dafür wäre es dann kaum zur Schattenbeeinträchtigung durch die Fichten gekommen, erklärte die für die Bäume verantwortliche Frau.
Damit galt es, den Streit um die Fichten auszufechten, zunächst vor dem Bezirksgericht Graz-Ost. Dieses kam zum Schluss, dass die Bäume tatsächlich zu viel Licht wegnehmen. Und gab der diesbezüglichen Unterlassungsklage des Nachbarn statt.
Das Grazer Landesgericht für Zivilrechtssachen drehte das Urteil um und wies die Klage ab. Es begründete dies mit der bisherigen Judikatur zum Recht auf Licht. Demnach müsse sich ein neu hinzugekommener Nachbar mit jenen örtlichen Verhältnissen abfinden, die beim Erwerb seines Grundstücks bestanden. Und für den Mann sei schon beim Kauf des Grundstücks im Jahr 2010 vorhersehbar gewesen, dass die Nachbarin ihre Bäume auch künftig unbehandelt weiterwachsen lassen werde.
Mangelnde Pflege nicht vorhersehbar
Auch der Oberste Gerichtshof (OGH) hielt zunächst fest, dass ein zugezogener Nachbar sich grundsätzlich mit jenen örtlichen Verhältnissen abfinden müsse, die er beim Erwerb des Grundstücks vorgefunden hat.
Doch die Meinung des Landesgerichts, wonach der Grundstückskäufer von der drohenden Beschattung in diesem Ausmaß wissen musste, überzeugte den OGH nicht. „Dabei wird aber übersehen, dass die 70 Fichtenbäume engst aneinander gepflanzt wurden und – weil ein derartiger Bewuchs unweigerlich zum Absterben von Bäumen führen muss – der Kläger keinesfalls damit rechnen musste, dass die Beklagte auch weiterhin jegliche Pflege der Fichtenhecke unterlassen werde, also ein ,Endzustand‘ vorliege“, meinten die Höchstrichter.
Dazu komme, dass es völlig untypisch für die Wohngegend sei, dass hier eine so eng gepflanzte und hohe Hecke stehe. „In einem solchen Extremfall erübrigen sich Feststellungen zur Frage, wann in welchem Ausmaß den bebauten oder unbebauten Teilen der Liegenschaft durch die Bäume – und nicht durch eine allfällig nicht optimale Situierung und Planung des Gebäudes selbst – das Licht entzogen wird“, meinte der OGH. Auch könne unter diesen Voraussetzungen „dem Umstand, dass der Kläger bereits bei Erwerb der Liegenschaft vom exorbitanten Schattenwurf wissen musste, kein entscheidendes Gewicht zukommen“. Denn bei einer derart massiven Hecke lägen „massive Beeinträchtigungen der Benutzbarkeit der Wohnzwecken dienenden nachbarlichen Liegenschaft durch Lichtentzug auf der Hand“.
Aufs ortsübliche Maß zurückschneiden
Der OGH (9 Ob 84/17v) entschied somit, dass die Hecke gekürzt werden müsse. Die Nachbarin hat laut dem Urteil sechs Monate Zeit, um die 70 Fichtenbäume zurechtzuschneiden. Danach dürfen sie nicht mehr Schatten verursachen, als wenn unmittelbar an der Grundstücksgrenze eine 2,5 Meter hohe Hecke stünde. So, wie es ortsüblich ist.