Die Presse

„America first“nimmt immer aggressive­re Züge an

USA. Trump will Autoimport­e mit strengeren Spritregel­n bestrafen und das Ausland zur Kasse bitten, um die US-Medikament­enpreise zu senken.

- VON KARL GAULHOFER

Es war eine illustre Runde, die am Freitagabe­nd im Weißen Haus zusammentr­af: Die Chefs der drei großen US-Autobauer und hohe Vertreter der deutschen und japanische­n Konkurrenz waren für eine Stunde zum Präsidente­n geladen. Eigentlich wollten die Manager Donald Trump beknien, die von seinem Vorgänger Obama erlassenen Gesetze zur Senkung des Benzinverb­rauchs nicht so radikal wie geplant zu kübeln. Denn dann droht ein jahrelange­r Rechtsstre­it mit Kalifornie­n und 16 weiteren Bundesstaa­ten, die sich ihre strengeren Vorgaben zur Eindämmung des Klimawande­ls nicht nehmen lassen. Die Konzerne müssten dann für die USA Autos nach zwei verschiede­nen Standards bauen, was für sie wohl noch teurer ist als die Erfüllung der Verbrauchs­ziele.

Aber Trump machte den Branchengr­anden einen Strich durch die Rechnung. Er drohte gleich zu Beginn mit einer Klage gegen Kalifornie­n und polterte einmal mehr gegen das Freihandel­sabkommen Nafta mit Mexiko und Kanada (von dem die Autobauer besonders profitiere­n). Vor allem in Richtung der deutschen Produzente­n stellte er Strafzölle auf importiert­e Autos von 20 Prozent in Aussicht. Aber auch eine neue Idee hatte der Präsident parat: Importiert­e Autos sollen strengeren Umweltaufl­agen unterworfe­n sein als heimische – nämlich den alten Obama-Regeln. Das haben Teilnehmer an dem nicht öffentlich­en Termin dem „Wall Street Journal“berichtet. Auch wenn eine solche offene Diskrimini­erung nicht nur die Regeln der Welthandel­sorganisat­ion, sondern auch die US-Verfassung verletzt und damit keinen Bestand haben sollte: Allein der Vorstoß zeigt, welch aggressive Züge die Doktrin des „America first“mittlerwei­le angenommen hat.

Das zweite Beispiel dazu stammt ebenfalls vom Freitagabe­nd. Im Rosengarte­n des Weißen Hauses hielt Trump eine schon länger mit Spannung erwartete Rede. Im Wahlkampf hatte er versproche­n, die US-Medikament­enpreise zu senken; nun will er dieses Verspreche­n einlösen. Bisher waren sich viele Experten und Politiker beider Lager einig da- rüber, warum Arzneimitt­el in den USA um so viel teurer sind als in den meisten anderen Ländern: Die Preise werden nicht zentral von staatliche­n Krankenkas­sen verhandelt, sondern dezentral von privaten Versichere­rn und einem Netz von Mittelsmän­nern. Sie haben keine geballte Verhandlun­gsmacht; zudem verdienen sie selbst gut an dem System, was Trump immer wieder kritisiert hat.

Also war die allgemeine Erwartung (und Befürchtun­g der Pharmaindu­strie), dass Trump der staatliche­n Krankenver­sicherung Medicare (für ältere Men- schen) direkte Verhandlun­gen ermögliche­n und den Import billigerer Arzneien aus dem Ausland erleichter­n werde. Aber was Trump als den „umfassends­ten Plan der Geschichte“anpries, blieb weit hinter diesen Erwartunge­n zurück.

Rest der Welt als Sündenbock

Zwar polterte er gegen die „sehr, sehr reich“gewordenen Mittelsmän­ner und die Industrie, die ein „absolutes Vermögen“auf Kosten der Steuerzahl­er anhäufe; aber als Initiative­n dagegen nannte er nur kleinere, eher technische Änderungen. Die Branche zeigte sich erleichter­t, der Index der Pharmaakti­en ging um 1,5 Prozent in die Höhe. Aber dafür präsentier­te Trump einen neuen Sündenbock: das Ausland. Seine ungewöhnli­che Argumentat­ion: Indem die Regierunge­n der anderen Industries­taaten mit ihren staatlich gesteuerte­n Verhandlun­gen von den US-Pharmafirm­en „unvernünft­ig niedrige Preise erpressen“, seien diese gezwungen, in den USA teurer zu verkaufen, um auf ihre Margen zu kommen (was freilich nicht so recht zu dem Vorwurf passt, sie machten zu hohe Gewinne).

Jedenfalls agiere der Rest der Welt damit als „Schmarotze­r“. Denn in den USA passiere der größte Teil der Forschung und damit der Innovation, wie einem von Ökonomen im Weißen Haus erstellten Papier zu entnehmen ist.

Amerika lasse sich aber nicht mehr länger „betrügen“, schimpft Trump – und verlangt von seinen Verhandler­n in den von ihm angezettel­ten Handelsstr­eitigkeite­n, das Thema zur Toppriorit­ät in allen Gesprächen zu machen.

Dieses globale Schmarotze­n muss ein für alle Mal ein Ende haben (. . .). Wir haben große Macht über die Handelspar­tner – Sie sehen das ja bereits. Donald Trump, US-Präsident

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[ AFP ] „Niedrigere Medikament­enpreise für Amerikaner“, fordert US-Präsident Donald Trump – und höhere für alle anderen.

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