„Ich bin ein Feind des Geldes“
Interview. Geld hält der Philosoph und Schriftsteller Franz Schuh für einen Fluch. Von dem Satz „Geld stinkt nicht“fühlt er sich „zutiefst beleidigt“, und die Managerkaste verachtet er. Mit den Ökonomen dieser Welt hat er aber etwas gemeinsam.
Die Presse: Welche Prinzipien haben Sie Geld betreffend? Franz Schuh: Ich bin jemand, der sich krampfhaft bemüht, in allen Fragen ein Modernist zu sein. Mir graut vor den archaischen Affekten. Aber in Geld-Fragen bin ich ein Antimodernist. Ich bin ein Feind des Geldes. Ich reagiere affektiv darauf, dass Geld ein Medium ist, das sich vermehren lässt, ohne dass dafür Arbeit geleistet werden muss. In bestimmten Religionen lehnt man das Geld ab, weil es nicht mit ehrlicher Hände Arbeit verbunden sein muss.
Aber kann. Natürlich, es kann. Ich sage ja nicht, dass ich gegen das Geld im Recht bin. Ich sage nur, dass ich diesen Affekt habe und nur sehr schwer los werde. Ich halte Geld für eine Art Fluch. Dabei habe ich mich schon in frühester Kindheit mit Geld beschäftigt.
In welcher Weise? Ich war ein Micky-Maus-Leser der ersten Stunde in den 1950er-Jahren. Und da konnte ich auch sehen, was Geld ist: ein Medium der sozialen Begrenzung und Ausdifferenzierung. Donald Duck hat kein Geld, Dagobert Duck hat auf eine besondere Weise Geld. Sein Geld entspricht einem Schatz. Sein Geld ist nicht das, was Geld in Wahrheit ausmacht, es ist nicht flüssig, sondern gehortet. Es soll nicht kursieren. Außerdem ist sein Geld sinnlich erfahrbar, also genau das, was Antimodernisten wollen.
Sie meinen, weil er in seinem Geld schwimmt? Im wahrsten Sinn des Wortes schwimmt er im Geld und ist danach süchtig. Ich möchte eine Geschichte von Sigmund Freuds Enkelin, Sophie, erzählen. Sie sagte, sie glaube – anders als ihr Großvater – nicht, dass alles Sexualität ist. Sie glaubt, dass alles Geld ist. Würde man sie fragen, ob sie ohne Sex leben kann, wäre ihre Antwort: „Ohne Weiteres.“Aber ohne Geld, so sagte sie, könne sie einfach nicht leben. Sind Sie ihrer Meinung? Nein, ich halte das für eine irrige Argumentation. Sie unterschlägt, wie der Bürzel hoch geht, wenn man einen sinnlichen Umgang mit dem Geld hat – siehe Dagobert Duck. Also: Geld provoziert erst recht die Libido.
Freuds Enkelin hat also einen libidinösen Zugang zu Geld? Ich glaub’ schon. Aber darauf kommt es nicht an. Sie hat einen pragmatischen Zugang zu dem, was in der Welt zählt. Darum sagt sie, es ist das Geld, das die Welt regiert. Die Vorstellung, alles wäre Sexualität, wie Freud behauptete, sei falsch. Da stehen einander zwei Totalitarismen gegenüber. Und Dagobert Duck ist die ideale Verknüpfung von beiden, ihn erregt Geld sinnlich.
Als Geldfeind ist Ihr Idealzustand eine Welt ohne Geld, oder? Die schönste Zeit meines Lebens habe ich im Schloss Wiepersdorf verbracht. Dort durfte ich als Stipendiat einige Monate in in einer sogenannten Art Colony sein und habe habe keine Sekunde Geld gebraucht. Geld war ausgeschaltet, die Dinge der unmittelbaren Bedürfnisse waren ohne Geld zu haben. Für einen Reaktionär wie mich ist es das Paradies, nicht an die schmutzigen Scheine ranzumüssen.
Wie erleben Sie Ihren Alltag, in dem die schmutzigen Scheine wohl vorkommen werden? Eben schmutzig.
Ist Geld immer schmutzig? Für einen aufrichtigen Feind des Geldes wie mich schon. Ich fühle mich zutiefst beleidigt von dem Satz „pecunia non olet“(Geld stinkt nicht). Denn das ist die intelligente Variante, den Schmutz des Geldes zuzugeben und ihn gleichzeitig zu leugnen. Und Geld ist ein soziales Unterscheidungsmittel. Es gibt so gewisse Geldleute, deren Leben auf dem Geschick des Geldes aufgebaut ist.
An wen denken Sie? Investmentbanker ? Oder österreichische Bankdirektoren. Die wären nichts, gäbe es da nicht Geld auf der Welt. Sie treten in der Öffentlichkeit mit diesem
ist ein österreichischer Essayist und Schriftsteller. Er nennt sich „Philosophen-Freund“und bescheiden nicht Philosoph. Dabei hat er in Wien Philosophie studiert und über „Hegel und die Logik der Praxis“promoviert. Der Autor zahlreicher Bücher arbeitet als freier Journalist für das Magazin „Datum“und das Radioprogramm Ö1. Ton auf „Ich bin wer“und „Fragt man mich, kriegt man die Antworten, die man verdient“. Diese Bankbeamten sind für mich aber nicht die reichen Leute, die liebe ich nämlich.
Ach? Darum liebe ich die Schweiz. Dort habe ich das Gefühl, sogar die Leute, die mich am Hauptbahnhof anbetteln, sind protestierende Kinder von Goldküstenbewohnern, die ihre stinkreichen Eltern in einem schlechten Licht darstellen wollen. Wen ich aber nicht leiden kann, sind Manager. Ich sage nicht, dass das richtig ist, aber gegen seine Emotionen kann man sich nicht wehren.
Unter den Reichen finden sich allerdings auch ein paar Manager. Eben nicht. Die Reichen, die managen, sind für mich nicht das, was ich gerne reich nennen würde. Reiche sind Leute, die die Utopie des Nicht-Arbeiten-Müssens realisiert haben.
Also Erben. Zum Beispiel. Noch sympathischer sind mir jene, die es geschafft haben, bis 40 zu arbeiten und dann diesem Fluch, im Schweiße des Antlitzes ihr Geld verdienen zu müssen, beendeten. Alle Menschen sollten die Freiheit haben, zu arbeiten oder nicht zu arbeiten.
Verstanden. Zurück zu den Managern. Was stört Sie an ihnen? Ihnen gegenüber habe ich meine Empfindlichkeiten. Das sind die Leute, die so hastig und nervös nach außen hin den Eindruck erwecken, sie hätten etwas zum Gemeinwohl beizutragen. Sie wettern gegen die Politik, so als wüssten sie es besser. Aber ich mache auch Ausnahmen, mein bester Freund ist ein Manager.
Ein reicher, hoffe ich. Natürlich, mit etwas anderem gebe ich mich doch nicht ab.
Wann sind Sie denn so reaktionär geworden? Schon durch die Wirtschaftskrise 2009. Damals habe ich festgestellt, dass mich mit der Masse der Ökonomen auf der ganzen Welt eines verbindet. Nämlich: Dass ich mich in der Wirtschaft ebenso wenig auskenne wie die Masse der Ökonomen. Das hat mir großen Eindruck gemacht.