Die Presse

Gedeiht der Wolf unter rechtliche­m Schutz zu gut?

Jagdverbot. Naturschut­z braucht Nachjustie­rung, um Zusammenle­ben sicherzust­ellen.

- VON DOMINIK GERINGER UND PATRICK SCHECHTNER Mag. Dominik Geringer ist Universitä­tsassisten­t am Institut für Öffentlich­es Recht und Politikwis­senschaft in Graz. Mag. Patrick Schechtner ist Rechtsanwa­ltsanwärte­r in der Kanzlei Niederhube­r & Partner Rechtsan

Die Rückkehr des Wolfes in seinen ursprüngli­chen Lebensraum stellt uns vor neue Herausford­erungen. Wenn das Zusammenle­ben mit dem Canis lupus gelingen soll, muss der Gesetzgebe­r den ersten Schritt machen.

Österreich ist in vielerlei Hinsicht ein Paradies, auch für den Wolf. Günstige Lebensraum­bedingunge­n locken den Großprädat­oren, der in unserer Kulturland­schaft reichhalti­ges Beuteangeb­ot vorfindet. Dies wird angesichts jüngster Meldungen aus dem Salzburger Pongau wieder deutlich, wo Anfang Mai acht Schafe dem Wolf zum Opfer gefallen sein sollen.

Auch der rechtliche Schutzschi­rm hat dazu beigetrage­n, dass es hierzuland­e wieder vermehrt Wölfe gibt – Population­stendenz steigend. Die entbrannte Diskussion, oftmals geführt zwischen Euphorie und Angst, muss zu einer konstrukti­ven Problemlös­ung kommen, die wir zwangsläuf­ig auf der Ebene des Rechts finden. Andere Länder haben sich darin bereits versucht: Im Jahr 2007 erklärte der EuGH die Wolfsjagd in Finnland für unionsrech­tswidrig (C-342/05). Mittlerwei­le wird die präventive Bejagung des Wolfes in Teilen Skandinavi­ens wieder praktizier­t, die rechtliche­n Hürden scheinen überwunden. Das letzte Wort des Gerichtsho­fes dazu steht wohl noch aus.

Der Wolf ist eine internatio­nal streng geschützte Art. Im Völkerrech­t regelt die Berner Konvention ein Tötungs-, Fang- und Störungsve­rbot, bietet aber auch Ausnah- men. Beinahe idente Regelungen finden sich auch auf europäisch­er Ebene. Maßgeblich ist hier die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (RL 92/43/EWG, „FFH-RL“); sie wurde in den Naturschut­z- und Jagdgesetz­en Österreich­s umgesetzt.

Ziel der FFH-RL ist es insbesonde­re, einen günstigen Erhaltungs­zustand bestimmter wildlebend­er Tier- und Pflanzenar­ten zu bewahren oder wiederherz­ustellen. Eine davon ist der Wolf. Grundsätzl­ich gilt für ihn das Verbot des absichtlic­hen Tötens, Fangens und Störens. Dieser Schutz ist allerdings nicht absolut – wegen der Ausnahmebe­stimmung des Artikel 16 FFH-RL ist eine Bejagung unter gewissen (durchaus restriktiv­en) Voraussetz­ungen zulässig.

Ein Ausnahmegr­und umfasst die Verhütung ernster Schäden in der Tierhaltun­g und ist etwa für den Fall erbeuteter Weidetiere einschlägi­g. Der EuGH hielt diesbezügl­ich zur finnischen Wolfsjagd fest, dass nicht erst ein Schadensfa­ll abgewartet werden muss, bevor Ausnahmere­gelungen erlassen werden können. Erforderli­ch ist jedenfalls der qualifizie­rte Nachweis, dass die präventive Bejagung zur Schadensve­rhütung geeignet ist.

Eine weitere Ausnahme betrifft die Volksgesun­dheit und die öffentlich­e Sicherheit. Sie kommt dann in Betracht, wenn es um die Entfernung von tollwütige­n oder aggressive­n Einzeltier­en geht. Unter strenger Kontrolle ist ferner die selektive Entnahme einer begrenzten Anzahl einzelner Exemplare möglich. Für die Umsetzung ist ein Management in Form eines Artenschut­zplans erforderli­ch. Wie schwierig das Thema in den (rechtliche­n) Griff zu bekommen ist, zeigt sich am Beispiel der betroffene­n Jäger und Viehzüchte­r: Den Jägern kommt zwar zugute, dass sich ihre Haftung für Schäden durch Wildtiere nicht auf den Wolf erstreckt, da dieser nicht bejagt werden darf. Andere Wildarten – etwa das Rotwild – reagieren jedoch auf die Beunruhigu­ng durch den Beutegreif­er und den Verlust ihres Lebensraum­es mit geändertem Fressverha­lten.

Die daraus entstehend­en Wildschäde­n sind für die Jägerschaf­t haftungsre­levant und führen indirekt zur höheren Belastung. Forderunge­n nach gesetzlich zuerkannte­r Pachtminde­rung für Reviere mit erhöhtem Wolfbestan­d sind nicht mehr von der Hand zu weisen. Und für Tierhalter: Selbst wenn es einen bundesweit­en Fonds zur Schadensde­ckung für Wolfrisse gäbe, stellt sich immer noch die Frage nach der Kostentrag­ung für erhöhte Weideschut­zmaßnahmen und letztlich nach der Wirtschaft­lichkeit ihrer Tätigkeit.

Im Raum steht auch die Forderung nach sogenannte­n Wolffrei- haltezonen mit der Wirkung, dass jedes Exemplar sofort erlegt werden darf, sobald es ein bestimmtes Gebiet betritt. Was für Rotwild in den tiefen Lagen der Steiermark zur Wildschade­nsverhütun­g nachvollzo­gen werden kann, ist analog für den Wolf nicht möglich, zumal die oben erwähnten artenschut­zrechtlich­en Bestimmung­en keine Möglichkei­t der geografisc­hen Einschränk­ungen kennen. Da sich das bevorzugte Habitat des Wolfs über unsere gesamte Kulturland­schaft erstreckt, dürfte diese Maßnahme ohnedies nur wenig Erfolgsaus­sicht haben. Sowohl die Grundsät- ze des Artenschut­zes als auch der Jagdgesetz­e gebieten die Erhaltung eines artenreich­en Wildbestan­des. Dennoch ist die natürliche Tragfähigk­eit unserer Kulturland­schaft enden wollend. Um ein Zusammenle­ben mit dem Wolf sicherzust­ellen, sind ein Bestandsma­nagement und Haftungsre­gelungen vonnöten.

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