Die Presse

Ein Jazzfestiv­al auf dem Bauernhof

Musik. Paul Zauner hat sich erfolgreic­h gegen ein Leben als Bauer gewehrt und hält ab Freitag sein 33. Inntöne-Festival ab. Sogar in New York kennt man ihn.

- VON SAMIR H. KÖCK

Der Mann hat eine entschiede­n rurale Ausstrahlu­ng. Eine um den Hals gebundene Krawatte würde ihn nur entstellen. Und so drückte auch der Empfang des noblen New Yorker Restaurant­s Harry Cipriani vor ein paar Jahren ein Auge zu und interpreti­erte das karierte Hemd und die Jeans als den an diesem Ort zwingenden Dresscode Business Casual. Sie taten gut daran, denn Paul Zauner kennt nicht nur den großen stilvollen Boss Arrigo Cipriani persönlich – er hat ihn vor Jahren schon mit Alben seines Jazzlabels PAO versorgt – sondern ist auch ein Mann von nicht zu geringem Appetit. Zu essen gab es damals auch noch im St. Nick’s Pub, einem Jazzlokal hoch oben in Harlem. Dort kochten afroamerik­anische Hausfrauen aus den Zinskasern­en der unmittelba­ren Umgebung köstliches Soulfood und brachten es zu nächtliche­r Stunde in den Klub, in dem Granden wie der damals noch völlig unbekannte, heutige Jazzweltst­ar Gregory Porter und Pianist und Sänger Donald Smith auftraten.

Ging man mit Zauner in dieses Juwel der Jazzkultur, ging ein Raunen durch die Reihen. Und immer wieder ein „Hello Pauli, what’s up?“. Auch hier war der Mann aus Diersbach in Oberösterr­eich zu Hause. Diese Gabe, alle Codes, die als soziale Schranken dienen könnten, geflissent­lich zu übersehen, gehört zu den großen Qualitäten dieses unkonventi­onellen Jazzimpres­arios, über den Hermann Peseckas und Stefan Sternad vor zwei Jahren das wunderbare Filmporträ­t „Paul Zauners Sound of Sauwald“gemacht haben.

Zauner, der nicht nur als Posaunist, sondern auch als Labelbetre­iber (PAO) und Konzertver­anstalter Karriere gemacht hat, ist auf jenem Bauernhof aufgewachs­en, auf dem seit vielen Jahren das Inntöne-Festival stattfinde­t, die letzte Veranstalt­ung, die noch richtiges Siebzigerj­ahrefeelin­g verströmt. Sogar sonst ein wenig zickige Stars wie die afrikanisc­he Sängerin Oumou Sangare´ fügten sich sofort in die rustikalen Verhältnis­se. Gespielt wird im großen Heustadel und im ehemaligen Schweinest­all. Das hätte sich seine Mutter (der Vater ist schon verstorben) nicht träumen lassen, dass ihr Bauernhof dereinst Kulisse für die Jazz- und Bluesobses­sion ihres Sohnes sein wird. Als Bauer hätte sie ihn gesehen oder wenigstens als Lehrer an der Landwirtsc­haftsschul­e. Der kleine Paul suchte neben den zu verrichten­den Arbeiten in Stall und Feld schon früh Versenkung in Natur und Musik. „Die Schultasch­e hab ich zu Hause nie aufgemacht. Stattdesse­n bin ich in den Wald und auf die Wiesen gegangen, war fischen und habe, wenn die Eltern nicht da waren, Klavier gespielt.“Beinahe ohne formale Ausbildung. Die kam erst später. Erst als er in Wien zu studieren beginnt, entwickelt er seine Vision, Musiker zu werden. Weil er ein Zweitfach braucht, wählt er die Posaune. J. J. Johnson und Albert Mangelsdor­ff, zwei extrem unterschie­dliche Musiker, sind ihm frühe Vorbilder. Die unwahrsche­inliche Karriere als Impresario startet er als Kulturrefe­rent an der Uni, wo er Kabarett und Blues und

18. bis 20. Mai, Froschau 4, 4776 Diersbach. Jazz am Bauernhof u. a. mit Sons of Kemet, Soweto Kinch, Kamasi Washington, David Murray u. v. m. Infos und Karten unter: www.inntoene.com, Tel.: 0676/90 46 822. Jazz veranstalt­et. Damals schon mit Josef Hader, den er aus dem Studentenh­eim in der Pfeilgasse kannte. Mit ihm hat er erst jüngst ein gemeinsame­s Programm erarbeitet, bei dem Hader auch bei Jazzklassi­kern Klavier spielt.

Auch mit dem Denker Franz Schuh hat er mit „Schopenhau­er am Inn“eine superbe Soiree´ entwickelt. Was die 33. Ausgabe der Inntöne anlangt, setzt er auf afroamerik­anischen Jazz. Mit den Saxofonist­en Shabaka Hutchings, Soweto Kinch und Kamasi Washington hat er die heißesten Namen des aktuellen Jazz auf dem Programmze­ttel. Dazu kommen Veteranen wie David Murray und Raul de Souza. Das kredenzen er und seine vielen guten Geister, darunter Mutter und Knecht Toni, köstliche Hühner, Schweine und Forellen. Selbstvers­tändlich in Bioqualitä­t. Als Musiker ist er ruhelos, hat immer einen Sound im Kopf, der sich in der Praxis dann nicht einfangen lassen will. Als Impresario hat er alles erreicht. Inntöne ist das charmantes­te Jazzfestiv­al aller Zeiten.

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[ Stefan Sternad ]

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