Die Presse

Es mäuselte entschiede­n zu wenig

Festwochen. Die Post-Punk-Kombo New Order spielte vor einer Installati­on des britischen Künstlers Liam Gillick im Museumsqua­rtier. Altfans feierten den Soundtrack ihrer Jugend.

- VON SAMIR H. KÖCK

Wir installier­en Zufriedenh­eit“, hieß es einst auf Plakaten jenes soliden Gewerbes, das u. a. für Rohrgebrec­hen zuständig ist. Gekapert von Katalogsch­reibern der bildenden Kunst hat sich die lexikalisc­he Ambiguität des Terminus „Installati­on“mittlerwei­le dramatisch vergrößert. Im Promotext der Wiener Festwochen war bezüglich der Zusammenar­beit des Künstlers Liam Gillick mit der Post-PunkKombo New Order von einer „raumgreife­nden architekto­nischen Installati­on“die Rede. Tatsächlic­h sah man sich nach Eintreten in die Halle mit einer Art Laubsägear­beit konfrontie­rt, die aussah wie ein einstöckig­es Umkleideka­binenhütte­rl a` la Gänsehäufe­l. Gillick will mit seiner aus Licht und Pressspanp­latten bestehende­n Behübschun­gsbastelar­beit „differenzi­erte Gedanken, aber auch Skepsis generieren“. Der Holzkasten diente dazu, zwölf Musikstude­nten einzuschli­chten, die aus ihren identisch mit Schreibtis­ch und Laptop eingericht­eten Kabäuschen flockige Synthi-Wölkchen sandten.

Gleichklan­g in der Isolation statt Subversion und Anarchie in der wirklichen Begegnung – war das die Metapher, die Gillick vorschwebt­e? Hoffentlic­h, denn musikalisc­h gesehen hatten die Studierend­en nichts Essenziell­es beizutrage­n. Die im Katalog versproche­ne Neuerfindu­ng von New Order aus dem Geist der Kunst fand nicht statt. Erwartungs­gemäß, möchte man hinzufügen. An das Wortgeklin­gel solcher Texte glauben nur mehr jene, die an Weinlyrik und Speisekart­enpoesie festhalten. Es begann mit Klängen, die kokett um sich selbst kreisten. Altfans waren dennoch guter Dinge und jubelten, als die Band die Bühne betrat. UrBassist Peter Hook war nicht dabei. Damit sind wir bei der schwierige­n Geburt von New Order: Hervorgega­ngen sind sie aus Joy Division, jener Band des durch Freitod verschiede­nen Sängers Ian Curtis, die Musik von beispiello­s sinistrer Schönheit hinterlass­en hat. Dass die Überlebend­en nahtlos als New Order weitermach­ten, stieß damals auf viel Widerstand. Innerhalb weniger Jahre gelang es ihnen allerdings, neues Publikum zu gewinnen und in die Charts vorzustoße­n.

Mit „Blue Monday“glückte ein Welthit, den sie an diesem Abend justament nicht spielten. Dafür spazierten sie in beschaulic­hem Tempo durch ihr verzweigte­s OEuvre, aus dem vor allem neuere Stücke überzeugen konnten. Etwa das treibende „Plastic“, das von einer verfänglic­hen Liebe erzählt. „This love is poison, but it’s like gold. Show me affection, I’ll give ya my soul“, sang Bernard Sumner mit erstaunlic­h viel Dringlichk­eit in der schwachen Stimme. Wenn sich diese allerdings in Joy-Divison-Songs fügte, kam sie aufs Glatteis. „Disorder“und „Heart And Soul“bekam Sumner gerade noch so hin, aber das den Abend beschließe­nde „Decades“war stimmlich ein Fiasko. Von hoher Güte waren hingegen unterkühlt­e Songs wie „Shellshock“und „Vanishing Point“, sie waren Highlights in einem Set, das über weite Strecken zu gefällig war.

Diesem Sound hätte ein wenig Mäuseln gutgetan, wie es in der Sprache der Önologen heißt, wenn sich Fehler in den Wein eingeschli­chen haben. Dann entsteht ein Mäuse-Urin-Aroma, vor dem sich Kenner lustvoll ekeln. Leider setzten New Order an diesem Abend zu sehr auf den Geschmack von abgestande­nem Wasser. Von diesem kriegt man bekanntlic­h Mäuse im Magen. Recht komplizier­t dies alles.

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[ Joel Chester Fildes ]

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