Gemeinsame Sprache ist für die Gemeinschaft eine Voraussetzung
Fehlende oder schlechte Deutschkenntnisse sind nicht nur bei der Jobsuche ein Problem, sondern auch für das Zusammenleben als Bürger eines Staates.
sterreichs Schüler schneiden beim Pisa-Test unterdurchschnittlich ab.“– „Nur ein Viertel der Wiener Schüler in den NMS haben Deutsch als Muttersprache.“– „17 Prozent der 14-Jährigen haben Probleme beim Lesen einfacher Texte.“Solche Meldungen schrecken uns jedes Mal zuverlässig auf und münden in heftige Debatten über die schlechte Bildungspolitik und die Zuwanderung.
An sich sagt es wenig über die Deutschkenntnisse aus, ob jemand eine andere Muttersprache als Deutsch hat. Gerade Kindern fällt es oft überhaupt nicht schwer, zwischen zwei Sprachen zu wechseln und beide perfekt zu beherrschen. Experten betonen, dass eine hohe Kompetenz in der Muttersprache das Lernen einer anderen Sprache erleichtert. Das Kind von Akademikern aus Italien beispielsweise, das in Wien in eine Privatschule geht, wird man also nicht im Fokus haben, wenn man an die Problematik der fehlenden Deutschkenntnisse denkt. Es spricht beide Sprachen fließend und wird bei guter Ausbildung später im Beruf davon sehr profitieren.
Problematisch ist es allerdings, wenn in Familien, die seit Jahrzehnten in Österreich sind, die Kinder weder ihre Muttersprache noch jene des Heimatlandes richtig beherrschen. Und es gibt viele Erwachsene, die nach Jahrzehnten in Österreich immer noch kein Deutsch sprechen. Das hat Folgen, für die Betroffenen und für die Gesellschaft. Der Fokus wird dabei auf die Berufschancen gelegt, dabei sind die Folgen für das Zusammenleben mindestens ebenso dramatisch.
Fehlende oder mangelnde Sprachkenntnisse verhindern nämlich nicht nur den wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg. Eine oberflächliche oder zeichenhafte Sprache allein ist zu wenig, diese ist zu vieldeutig und unbestimmt.
Eine gemeinsame Sprache ist eine wichtige Voraussetzung für das Zusammenleben und das Gemeinwesen. Durch Sprache benennt man die Dinge, drückt seine Gedanken und Gefühle aus, diskutiert über ein Thema, findet einen Kompromiss. Fehlt diese Basis, hat das eine Reihe von Konsequenzen für alle. Es verhindert den gegenseitigen Austausch, das genauere Kennenlernen und das Verständnis füreinander. Fehlende oder schlechte Sprachkenntnisse verhindern, aus der eigenen Community heraus anderes kennenzulernen. Es verhindert die Kenntnis über den aktuellen Diskurs des Gast- oder Heimatlandes, die Teilnahme an kulturellen und Bildungsangeboten, und es verhindert, ein mündiger (Staats-) Bürger zu werden oder zu sein.
Jahrzehntelang haben sich Politik und Wirtschaft kaum darum gekümmert, ob jene, die zu uns kommen, auch sprachlich gefördert und gefordert werden. Da hat man etwa das Bild des Bauarbeiters vor Augen, dem vom Polier gesagt wird: „Du machen das hier sauber!“Wie soll da jemand richtiges Deutsch lernen? Tatsache ist: Österreicher neigen selbst zu einem schlampigen Umgang mit ihrer Sprache. Viele Zuwanderer hatten gar nicht die Möglichkeit, im Alltag korrektes Deutsch zu lernen, sondern hörten bloß Umgangssprache mit falscher Grammatik. Das hört man ihren Kindern und Enkeln heute noch an.
Die Politik versucht nun, gegenzusteuern. Deutschklassen, Ganztagsschulen, Förderstunden – so lauten einige der Rezepte gegen die schlechten oder fehlenden Sprachkenntnisse. Wenn in einer Ganztagsschule mit einem hohen Anteil von fremdsprachlichen Kindern dann in den Pausen untereinander nicht Deutsch gesprochen wird, wird das wenig bringen. Die Deutschklassen sind ebenfalls umstritten, ohne dass jemand ein besseres Rezept hätte.
Es wird wohl eine Fülle an Maßnahmen brauchen, und wir selbst sind genauso gefordert, mit Menschen mit nicht-deutscher Muttersprache ein korrektes Deutsch zu sprechen. Denn ohne gemeinsame Sprache ist ein gegenseitiges Verstehen und damit ein Gemeinwesen nicht möglich.