Schiitenprediger auf dem Vormarsch
Irak. Die Allianz des Geistlichen Moqtada al-Sadr mit den Kommunisten liegt bei Parlamentswahl voran. Sadr hat sich im Wahlkampf gegen Korruption und den iranischen Einfluss ausgesprochen.
Tunis/Bagdad. Seine Anhänger feiern in den Straßen der irakischen Hauptstadt. „Bagdad wird frei, raus mit dem Iran“, skandierte die Menge und ließ ihr Idol hochleben, den charismatischen Prediger Moqtada al-Sadr. Denn nach der Hälfte der ausgezählten Stimmen bahnt sich bei der Parlamentswahl im Irak offenbar eine Überraschung an. Nicht der favorisierte Ministerpräsident, Haidar al-Abadi, sondern der Außenseiter im schiitischen Klerikerrock, der in einer Allianz mit den Kommunisten antrat, könnte im Kampf um die 329 Mandate am Ende vorn liegen.
Dicht darauf folgt bisher die proiranische Liste „Eroberung“des Milizenkommandeurs Hadi alAmiri, während Amtsinhaber Abadi sich mit den früheren Ministerpräsidenten Nouri al-Maliki und Ijad Allawi die hinteren Plätze teilt. Moqtada al-Sadr, der selbst nicht kandidierte und darum nicht Regierungschef werden kann, warb vor allem um die Stimmen der jungen Leute und der ärmeren Menschen aus den schiitischen Armenvierteln. Fast alle haben die Nase voll von der Vetternwirtschaft und Selbstbedienung der politischen Klasse. Und so betrug die Wahlbeteiligung diesmal lediglich 44,5 Prozent, weniger als je zuvor. Bei der Korruption rangiert der Irak laut Transparency International auf dem 169. von 180 Plätzen.
Sturm auf die Grüne Zone
Für diesen Missstand verantwortlich ist vor allem die Vergabe der Ministerien nach Parteienproporz. Schon einmal mobilisierte Moqtada al-Sadr das Volk gegen diese Praxis, die er unter allen Umständen beenden will. Im Frühjahr 2016 rief der Kleriker in Bagdad zu einem Millionenmarsch auf. Seine Anhänger stürmten damals die sogenannte Grüne Zone, das gut abgeschirmte Regierungs- und Botschaftsviertel im Zentrum Bagdads. Die Demonstranten drangen in das Parlament ein und verwüsteten den Plenarsaal.
Vater von Regime ermordet
Sadr wurde am 12. August 1973 in der heiligen Stadt Najaf geboren. Der schiitische Geistliche bezieht seine Autorität vor allem aus seiner Herkunft. Der 44-Jährige stammt aus einer der führenden Gelehrtenfamilien des Nahen Ostens, deren Mitglieder auf den Irak, den Iran und den Libanon verteilt sind. Sein Vater war Großayatollah Mohammed Sadeq alSadr, den 1999 der damalige irakische Diktator, Saddam Hussein, ermorden ließ. Mohammed Sadeq al-Sadr wird bis heute von seinen Anhängern sehr verehrt.
Von 2007 bis 2011 ging sein Sohn Moqtada al-Sadr ins iranische Exil in die heilige Stadt Qom, wo er sein theologisches Wissen aufpolierte.
Nach seiner Rückkehr begann der bärtige Volkstribun, sich mehr und mehr als irakischer Patriot zu inszenieren, der sein Land von allen äußeren Manipulationen befreien will. Genauso wie er nach der US-Invasion 2003 zunächst gegen die amerikanischen Besatzungstruppen zu Felde zog, macht er jetzt Front gegen die iranische Dominanz. Es dürfe keine Regierung gebildet werden, in der nur von Iran unterstützte religiöse Parteien vertreten seien, forderte der Populist, der auch einen engeren Dialog mit Sunniten und Kurden befürwortet. Die von der Islamischen Republik Iran finanzierten schiitischen Milizen, die mittlerweile wie ein Staat im Staat agieren, will er auflösen.
Reise nach Saudiarabien
Um ein strategisches Gegengewicht zu Teheran zu schaffen, reiste er im Sommer 2017 sogar nach Jeddah zum saudischen Kronprinzen, Mohammed bin Salman. Nach seiner Rückkehr brachte sich Moqtada al-Sadr dann selbst als Vermittler zwischen den beiden Erzfeinden Saudiarabien und dem Iran ins Spiel. Er sei bereit, erklärte er, „zwischen dem Königreich Saudiarabien und der Islamischen Republik zu intervenieren und einige Probleme zu lösen“.
Hält sich der bisherige Trend beim Ergebnis der Parlamentswahl, wird er nun auch eine tragende Rolle in Iraks Innenpolitik spielen.