Schwache Konjunkturdaten erschweren EZB-Kurswende
Geldpolitik. Die Notenbank ist in einer schwierigen Lage.
Schwache Wirtschaftsdaten und eine geringe Inflation: Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte in eine schwierige Situation geraten, sollten sich die konjunkturellen Perspektiven stärker als erwartet verschlechtern. Zwar verweisen Ökonomen auf die Grippewelle zum Jahresstart, Streiks in einigen Ländern und den harten Winter. Sollte die jetzige Delle aber nur ein Vorbote einer deutlicheren Abkühlung sein, fehlt der EZB wohl der Handlungsspielraum, um die Wirtschaft zu stützen. Das wäre für die Währungshüter unangenehm, so die Analysten der französischen Bank BNP Paribas.
Fabio Balboni, Europa-Volkswirt bei der britischen Großbank HSBC, verweist vor allem auf die Preisdaten, die die Notenbank in eine heikle Lage bringen. „Für die EZB wird es sehr schwer werden zu argumentieren, dass es eine nachhaltige Veränderung der Inflationsentwicklung gibt.“Genau dies nennt die EZB aber als Bedingung für einen Kurswechsel nach der jahrelang ultralockeren Geldpolitik. Angedacht ist zunächst ein Stopp der billionenschweren Anleihenkäufe. Erst danach dürften die Leitzinsen auch in der Eurozone wieder steigen. Sie liegen seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Die EZB hat also hier kaum Handlungsspielraum, um auf eine stärkere Konjunktureintrübung zu reagieren.
Im April waren die Verbraucherpreise im Euroraum nur um 1,2 Prozent gestiegen, nachdem es im März 1,3 Prozent waren. Seit Frühjahr 2013 verfehlt die EZB jetzt schon ihr Ziel von knapp zwei Prozent. Diesen Wert strebt sie mittelfristig als ideales Niveau an. Das Wirtschaftswachstum hat sich zudem zwischen Jänner und März fast halbiert: Es lag nur noch bei 0,4 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. In den drei Quartalen davor betrug das Plus jeweils 0,7 Prozent. Die Euro-Notenbank hatte zwar mit einer Verlangsamung gerechnet. Laut EZB-Chefvolkswirt Peter Praet geschah dies aber schneller als gedacht.
„Die EZB wird in dieser unsicheren Situation wohl eher auf Zeit spielen wollen“, glaubt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der Bank ING Diba. „Wie im Fußball werden die Währungshüter jetzt wahrscheinlich versuchen, erst einmal den Ball lange an der Eckfahne zu halten, um Zeit zu gewinnen.“Brzeski kann sich zwei Szenarien vorstellen: So könnte die Notenbank ihre Anleihenkäufe mit einem geringeren Volumen um sechs Monate verlängern, diese dann aber mit einem Enddatum versehen. Oder die Transaktionen werden nur kurz bis Ende Dezember fortgesetzt und die EZB lässt weiter offen, wann sie endgültig eingestellt werden. (Reuters)