Ein Schwarzes Loch am Brenner
Der EU-Rechnungshof kritisiert planlose Eisenbahnpolitik.
V orige Woche war der österreichische Vertreter im EU-Rechnungshof, Oskar Herics, im Parlament zu Besuch. Dort referierte er über dies und das – und über einen brisanten Punkt, den die Parlamentskorrespondenz verschämt im letzten Absatz ihres Berichts versteckte: Der ohne Finanzierungskosten rund zehn Mrd. Euro, in der Endabrechnung einschließlich Finanzierung dann aber wohl eher zwanzig Mrd. Euro teure Brennerbasistunnel, an dem Österreich seit einiger Zeit so eifrig baut, sei Teil eines „nationalen Fleckerlteppichs“und damit reichlich sinnlos, meinte er.
Es fehlen nämlich die Zu- und Ablaufstrecken, für deren Bau Italien kein Geld und zu deren Errichtung Deutschland keine Lust hat. Der Tunnel werde zumindest bis Mitte dieses Jahrhunderts keinen Beitrag zur Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene leisten können.
Sein Bau basiere zudem auf Verkehrsprognosen, die „Österreich mit Deutschland und Italien nicht abgestimmt“habe. Überdies gebe es in Österreich „keinen Bedarf für Hochgeschwindigkeitsstrecken“, trotzdem habe man sich für derartige Milliardeninvestitionen entschlossen.
Starker Tobak. Man kann sich ungefähr vorstellen, wie der bevorstehende Bericht des Europäischen Rechnungshofs zum Brennertunnel aussehen wird. Aber Herics hat natürlich recht: Die EU-Eisenbahnpolitik ist eine Katastrophe. Es werden auf dem Papier wunderschöne Transeuropäische Netze (TEN) gezogen, die in der Praxis aber reine Theorie bleiben, weil nationale staatliche Bahngesellschaften und Verkehrsminister gegeneinander statt miteinander arbeiten und so etwas wie eine europäische Koordination weit und breit nicht zu sehen ist. W ir bauen also mit Hochdruck und Milliardeneinsatz an einem gigantischen Bauwerk, das nach seiner Fertigstellung mangels Zulaufs wahrscheinlich noch jahrzehntelang ohne konkreten Nutzen sein wird. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise würde man sich jetzt natürlich um verstärkte Abstimmung mit den Nachbarn bemühen – und die heimischen Investitionen ein bisschen mit jenen der Nachbarn synchronisieren.
Aber so weit, das zu fordern, wollen wir doch nicht gehen: Wir wollen dem Tiroler Landeshauptmann ja nicht die schöne Tunneleröffnungszeremonie vermasseln. Das muss uns schon ein paar Milliarden Euro wert sein.