Die Presse

Putin sichert Kiew Erdgastran­sit zu

Russland. Freundlich, aber bestimmt trafen einander Angela Merkel und Wladimir Putin in Sotschi. Gewisse Annäherung gibt es bei North Stream 2, in Syrien bat die Kanzlerin Putin um Hilfe.

- Von unserer Korrespond­entin JUTTA SOMMERBAUE­R

Blumen für die Dame – und noch dazu farblich passend: Ein charmanter Wladimir Putin überreicht einer verdutzten Angela Merkel zur Begrüßung einen Strauß Rosen, passend zu ihrem cremefarbe­nen Sommerblaz­er. Als zusätzlich­e Überraschu­ng tritt Dmitrij Medwedjew aus der Tür der Sommerresi­denz in Sotschi, dessen Kabinett Putin kurz zuvor bestätigt hat. Merkel erkundigt sich nach Medwedjews Mitarbeite­rn und wünscht ihm eine „gute Reise“– all das auf Russisch. Drei hohe Politiker im Small Talk, der wie ein Dialog aus dem Russisch-Lehrbuch klingt – das hat in der Ära der internatio­nalen Anspannung Seltenheit­swert.

Der russische Präsident regiert in der warmen Jahreszeit am liebsten von Sotschi aus. Im Vorjahr herrschte bei Merkels Besuch indes frostige Stimmung. Diesmal schienen die Kanzlerin und Putin einander näher zu sein. Man tauschte Blicke aus, ging auf den anderen ein. Merkel sprach zufrieden von einem „offenen Austausch“. Auch Putin betonte die Notwendigk­eit des Dialogs. Tatsächlic­h könnte der Dialog bei einem Thema Früchte tragen.

Putin erklärte bezüglich der geplanten Gaspipelin­e North Steam 2, weiterhin Gas durch die Ukraine nach Europa liefern zu wollen – „wenn das wirtschaft­lich sinnvoll ist“. Kiew befürchtet Einbußen durch den Bau der OstseePipe­line und kritisiert es als politische­s Projekt des Kreml. „Wir können die Ukraine auch weiterhin mit unserem Geld füttern“, sagte Putin flapsig. Moskau sei zu Gesprächen mit Kiew bereit.

Berlins Pendeldipl­omatie der vergangene­n Wochen könnte also zu Ergebnisse­n führen. Peter Beyer, Koordinato­r für die transatlan­tische Zusammenar­beit der Bundesregi­erung, hält indes Sanktionen der USA gegen europäisch­e Unternehme­n für gut möglich. Bezüglich des US-Widerstand­s gegen North Stream 2 konnte sich Putin eine Nebenbemer­kung nicht verkneifen: „Donald“, so sagte er, sei eben nicht nur US-Präsident, sondern auch ein geschickte­r Unternehme­r, der den Europäern teures Schieferga­s verkaufen wolle.

Nicht viel Bewegung gab es indes in der Ukraine-Krise. Hier sind die Fronten verhärtet. Beide Politiker bekräftigt­en ihre Unterstütz­ung für den Minsk-Prozess, beide halten UN-Friedenstr­uppen für den Donbass für eine gute Idee. Doch schon seit einiger Zeit hakt es an den Details. Ein Datum für ein Gipfeltref­fen im NormandieF­ormat gebe es nicht, sagte Putin.

Einen Tag vor Merkel hat ein anderer Gast die grauen Stufen zu der Residenz erklommen, Syriens Machthaber Bashar al-Assad. Die vom Kreml bereitgest­ellten Fotografie­n zeigen zwei Männer, nach außen um demonstrat­ive Freundscha­ft bemüht: Putin und Assad umarmen einander, schenken einander ein Lächeln, sitzen ins Gespräch vertieft in karamellbr­aunen Lederstühl­en. Mit Assad hat Putin über den syrischen Militärein­satz gesprochen, von ihm konsequent als „Kampf gegen den Terrorismu­s“bezeichnet.

Assad gab am Donnerstag zu Protokoll, dass sich die militärisc­he Lage in Syrien „sehr positiv“entwickle. Die Armee ist weiter auf dem Vormarsch. Beide Staatschef­s betonten, dass es nun an der Zeit wäre, einen politische­n Prozess zu starten. Assad kündigte an, Delegierte zu nominieren, die Änderungen in der derzeitige­n Verfassung vornehmen sollten.

Auch Merkel betonte gestern die Notwendigk­eit einer politische­n Lösung und bekräftigt­e ihre Unterstütz­ung für die Arbeit des UN-Sonderbeau­ftragten Staffan de Mistura. Gleichzeit­ig äußerte sie sich besorgt über das sogenannte Dekret Nummer zehn in Syrien. Danach können Menschen, die sich nicht in einer bestimmten Frist in Syrien melden, ihre Wohnungen und Häuser verlieren. Das sei eine „schlechte Nachricht“für Rückkehrwi­llige. Merkel bat Putin darum, seinen Einfluss auf Assad hier geltend zu machen.

Kurz vor Merkels Eintreffen bestätigte Putin auch die neue russische Regierung. Darin gibt es kaum Neuerungen. Premiermin­ister Medwedjew verfügt ab sofort über zehn Vizepremie­rs.

Außenminis­ter Sergej Lawrow und Verteidigu­ngsministe­r Sergej Schoigu bleiben im Amt. Aufgewerte­t wurde der Posten von Anton Siluanow, der als erster Vizepremie­r künftig führend für Finanz- und Wirtschaft­sfragen tätig sein wird.

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