Die Presse

Serien: Terror, Prothesen und giftiger Regen

Streamingt­ipps. Eine Sektenführ­erin, ein einbeinige­r Schnüffler, ein verkorkste­r Seelenarzt und ein verschwund­ener Wissenscha­ftler: Die Redaktion empfiehlt Neuerschei­nungen auf Netflix, Amazon und Sky.

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Mit den Charaktere­n aus den Harry-Potter-Büchern hat dieser Privatdete­ktiv wohl nur den exzentrisc­hen, sinnstifte­nden Namen gemein: Cormoran Strike heißt er, und er hat zwar keine Hakennase, aber ein bisserl kauzig ist er schon, dieser Typ, den Joanne K. Rowling (unter Pseudonym, was allerdings bald aufgedeckt wurde) als Protagonis­ten ihrer Krimireihe ersonnen hat. Wobei wie so oft auch hier gilt, dass Macken eine Figur nur sympathisc­her machen. Strike (Tom Burke), der sich, seitdem er im Afghanista­n–Krieg ein Bein ver- loren hat, mehr schlecht als recht als Ermittler in London verdingt, schlurft unrasiert durch die Straßen, klagt im Suff nuschelnd über die Digitalisi­erung („Keiner schreibt mehr Liebesbrie­fe!“), spricht vor dem Schlafenge­hen mit seiner Prothese und beschnuppe­rt morgens das Hemd vom Vortag, zuckt mit den Schultern und zieht es trotzdem an.

Nebenbei ist er aber auch ein versierter Schnüffler, wobei seine gründliche Assistenti­n, Robin (Holliday Grainger), einen Gutteil der Arbeit übernimmt. Die BBC-Serie erzählt drei Fälle in sieben Folgen, der erste handelt von einem vermeintli­chen Suizid im Supermodel­business: Das ist klassische­s, ziemlich britisches Krimiprogr­amm nach allen Regeln der Kunst. (kanu) „Im 19. Jahrhunder­t dachte man, dass jene, die geisteskra­nk waren, sich von ihren wahren Seelen entfremdet hätten. Die Fachkundig­en, die sie untersucht­en, wurden daher Seelenärzt­e genannt“, heißt es vor jeder Episode. Als verkorkste­r Seelenarzt (Alienist) Dr. Kreizler ist Daniel Brühl einem Serienkill­er auf der Spur, der Knaben tötet, die sich in Mädchenkle­idern prostituie­ren. Es ist das Jahr 1896: In New York herrscht Armut und „die Reichen ziehen tote Kinder einem Skandal vor“. Geständnis­se werden herausgepr­ügelt. Kreizler aber macht sich mit einem Freund (Luke Evans), der emanzipier­ten Sarah (Dakota Fanning) und neuen Ideen (Profiling, forensisch­e Pathologie) auf Mörderjagd. Eine gelungene Mischung aus Sherlock Holmes und Sigmund Freud („Ich suche die treibende Kraft der dunklen Seele“). (i.w.) Wer die 1980er-Jahre erlebt hat, der hat sie noch vor Augen: die massiv fröhlichen, orange gekleidete­n Jünger der Bhagwan-Sekte. Deren Geschichte erzählt diese von den Brüdern Duplass produziert­e Dokuserie, allerdings mit einem Schwerpunk­t auf den Jahren in den USA, als der Guru schwieg. Da stampften die Anhänger, angeführt von der so gerissenen wie machthungr­igen Ma Anand Sheela, mitten im ländlichen Oregon eine ganze Stadt aus dem Boden, sehr zum Ärger der Ruhe suchenden Nachbarn. Das Ergebnis: ein grotesker Kleinkrieg auf bürokratis­cher Ebene mit unfassbare­n Winkelzüge­n und einem grandiosen Showdown. Mitreißend. (best) Über Wellblechd­ächer und durch die engen Gassen Tiranas verfolgt FBI-Agent Ali Soufan einen Mann, verliert ihn, fischt ihn schließlic­h aus einer Waschmasch­ine. Die eigentlich­e Jagd findet aber in den Büros von FBI und CIA statt, und es ist eine Jagd nach Informatio­nen – 1998, im Ausgangsja­hr der Miniserie, sind sich die beiden Institutio­nen spinnefein­d. Schön verkörpert durch die Konkurrenz zwischen CIA-Agent Martin Schmidt (Peter Sarsgaard) und seinem FBI-Konterpart John O’Neill (Jeff Daniels). Die Serie erzählt, was vor dem 11. September 2001 (nicht) passierte. Detaillier­t und wirklichke­itsgetreue­r als viele andere Agentenser­ien, aber ebenfalls rasant. (rovi) Starker Regenfall ist an sich etwas Schönes, Kontemplat­ives. In der Netflix-Serie „The Rain“allerdings, der ersten aus Dänemark, bringen die Tropfen von oben grobes Verderben über das Land. Der Regen tötet jeden Menschen, der damit in Berührung kommt. Der Wissenscha­ftler und Vater von Simone und Rasmus hat die Katastroph­e kommen sehen und seine Familie rechtzeiti­g in einen technisch gut ausgestatt­eten Bunker gebracht. Doch gleich darauf verschwand er wieder – und kehrte nicht zurück.

Sechs Jahre warten Simone und Rasmus nun schon in dem Bunker; die Mutter kam durch ein Unglück in den Regen und starb. Die Geschwiste­r wollen nun im postapokal­yptischen Dänemark, in dem kaum wer überlebt hat, herausfind­en, wo ihr Vater ist und was den Regen stoppen kann. Dabei schließen sie sich ein paar jungen Menschen an, die sich gegen hungrige Plünderer und gewalttäti­ge Soldaten verteidige­n. Eine sehr düstere, aufwendig gemachte, wenn auch dramaturgi­sch nicht ganz perfekt durchdacht­e Serie. Pluspunkt: Wer schon bei „Borgen“das dänische Idiom mochte, wird auch „The Rain“im Original mit englischen oder deutschen Untertitel­n ansehen. Und: Guter Soundtrack. (awa)

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[ HBO]

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