Warum in den Bundesländern jetzt die Unaufgeregten gefragt sind
Mit Michael Häupl verlässt das letzte Original mit einer politischen Pranke den Kreis der Landeshauptleute. Neue Sachlichkeit kehrt ein. Das kann ein Vorteil sein.
Es gibt sie also doch noch: die positive Überraschung in der österreichischen Politik. Für eine solche sorgte Salzburgs Landeshauptmann, Wilfried Haslauer (ÖVP), als er nach gewonnener Landtagswahl am 22. April den Wunsch nach einer schwarz-grün-pinken Landesregierung verkündete.
Zweierlei war dem knochentrockenen Landeshauptmannsohn und ehemaligen Anwalt so eigentlich gar nicht zuzutrauen: erstens, dass er das noch nie Dagewesene wagen, das Erwartbare und von seinen eigenen ÖVP-Wählern Gewünschte – nämlich Schwarz-Blau – erst gar nicht ernsthaft in Erwägung ziehen würde. In Kürze sollte der Pakt mit Grünen und Neos abgeschlossen werden. Das zeugt von einer Selbstsicherheit und einer Risikobereitschaft, die Haslauer vor dem Wahlsieg so nicht ausgestrahlt hat.
Zweitens sandte Haslauer mit dem Slogan, er wolle eine „politische Allianz der Mitte“eine Dauerbotschaft nach Wien, ohne in den Konfrontationsmodus mit Bundespartei, Bundesregierung und Bundeshauptstadt zu verfallen, wie er früher in den Ländern üblich war. Wenn nämlich SchwarzGrün-Pink die Allianz der Mitte ist, dann kann Türkis-Blau dort nicht zu finden sein. Eine subtile Distanzierung ohne Kraftworte.
Mit Haslauer hat innerhalb weniger Wochen der zweite Landeshauptmann als Antityp zum früher so populären überdominanten Landesvater einen fulminanten Sieg eingefahren. Wer sich nämlich in Kärnten umhört, der erfährt, dass Peter Kaisers Popularität und in der Folge Wahlsieg gerade in seiner trockenen Sachlichkeit, seiner Unaufgeregtheit, im Leisen statt im Poltern, begründet waren. In Salzburg und in Kärnten gaben die Wähler an, dass Haslauer und Kaiser das stärkste Motiv waren, ÖVP beziehungsweise SPÖ zu wählen.
Mit dem Abschied von Wiens Michael Häupl aus der Landeshauptleutekonferenz gestern, Freitag, ist der Wandel in den Landeshauptstädten für alle sichtbar. Michael Ludwig wird genau in den Kreis der Machttechniker passen, mehr der Sachlichkeit denn dem Schmäh verschrieben.
Allerdings trockener als in Vorarlberg unter Markus Wallner, in Oberösterreich unter Thomas Stelzer, unbedeutender als im Burgenland unter Hans Niessl wird es in Wien nicht zugehen können. Auch von den drei übrigen Länderchefs der ÖVP, Johanna Mikl-Leitner, Günther Platter und Hermann Schützenhöfer hat Ludwig keinen Wettbewerb im kreativen Aufbau bundesweiter Popularität zu fürchten.
Das ist auch ganz gut so. Die Wähler wollen – wie Kärnten und Salzburg zeigten – heute mehr Nüchternheit, mehr Durch- und Umsetzung in der Politik als Güte und Herablassung eines Landesfürsten. Sie wollen offenbar auch mehr Sicherheit, ohne mit Details belastet zu werden, wie Niederösterreich und Tirol dieses Jahr bewiesen: Johanna Mikl-Leitner errang ihren Wahlsieg ganz ohne konkrete Wahlversprechen und Namen, nur mit ihrem Konterfei. Platter pries sich überhaupt nur mit dem Synonym „Er“den Wählern an.
Nüchterne Sacharbeit, ergebnisorientiert wie es so treffend heißt, am Konferenztisch der Landeshauptleute, den es ja eigentlich verfassungsrechtlich gar nicht geben dürfte, ist sicher nicht das Schlechteste.
Angenommen, alle neun nehmen sich dort mit parteiübergreifender Ernsthaftigkeit der Probleme des lähmenden Föderalismus an; angenommen, sie bringen auf diese Weise politisch etwas auf einen Weg, der nicht in einer Sackgasse landet – dann würden sie der Republik einen Dienst erweisen wie keiner ihrer Vorgänger. Dann könnte man gern auf Buntheit und Originalität früherer Länderchefs, ja auch Häupls, verzichten.
Mit der Bundesregierung wollen sie auf „Augenhöhe“verhandeln. Das ist vielversprechend. Denn früher blickten die Länder auf den Bund herab. Jetzt könnte die Ära der positiven Überraschungen beginnen. Könnte! Es könnten doch auch negative werden. Abwarten!