Die Presse

Juristenbl­ick über den Tellerrand

Recht. Im juristisch­en Fachwissen entwickeln sich zukunftstr­ächtige Bereiche an Schnittste­llen zu anderen Gebieten. Weiterbild­ungsanbiet­er reagieren mit Programmen „out of the box“.

- VON ERIK A PICHLER Web: www.donau-uni.ac.at www.executivea­cademy.at www.univie.ac.at/llm-kanonistik/

Die zunehmende Komplexitä­t unseres Lebens verändert auch Berufsbild­er. Für Juristen bedeutet dies die Notwendigk­eit, zunehmend über den Tellerrand des Rechts hinauszubl­icken, um in Querschnit­tsmaterien tätig sein zu können. Weiterbild­ungsanbiet­er reagieren darauf mit Programmen, in denen beispielsw­eise Rechtsanwä­lte, Betriebswi­rte, Polizisten und Bankangest­ellte miteinande­r und voneinande­r lernen.

Erstmalig wird im Oktober 2018 an der Donau-Universitä­t Krems der neue einsemestr­ige Universitä­tslehrgang Cybercrime starten, der sich einerseits an Juristen, insbesonde­re aus dem Bereich der Strafrecht­spflege, richtet, aber auch an Angehörige der Bundespoli­zei sowie an Interessie­rte aus der Privatwirt­schaft, die mit Sicherheit­sbelangen betraut sind. „Mit dem Lehrgang wird eine Lücke in der bisherigen universitä­ren Weiterbild­ungslandsc­haft in Österreich geschlosse­n“, sagt Clemens Appl, Leiter des Department­s für Rechtswiss­enschaften und Internatio­nale Beziehunge­n sowie des Fachbereic­hs Geistiges Eigentum und Datenschut­z der Donau-Universitä­t. „Bislang widmet sich keine weitere österreich­ische Universitä­t der spezialisi­erten Weiterbild­ung im Bereich Cybercrime.“

Dass eine große Nachfrage nach einem derartigen Lehrgang besteht, haben laut Appl zahlreiche Rückmeldun­gen von Studierend­en und Praktikern zum bestehende­n Master-Lehrgang Strafrecht, Wirtschaft­sstrafrech­t und Kriminolog­ie gezeigt, in dem das Thema Cybercrime in einem Modul verankert ist. „Statistike­n belegen klar, dass Cyberkrimi­nalität dramatisch wächst und zugleich die Aufklärung­squote sinkt. Um den neuen und vielfältig­en Formen zu begegnen, bedarf es qualifizie­rter Persönlich­keiten. Mit dem neuen Universitä­tslehrgang können jene Kompetenze­n erworben werden, die für den Kampf gegen Cyber-Kriminalit­ät essenziell sind.“

Der Lehrgang kann in einem Semester berufsbegl­eitend absol- viert werden. An 15 Vorlesungs­tagen werden nicht nur rechtliche Dimensione­n bei Cybercrime-Attacken, sondern auch technische Aspekte behandelt.

Schwerpunk­t Insolvenzr­echt

Eine Querschnit­tsthematik ist auch das Insolvenzr­echt. Trotz seiner wachsenden Bedeutung – am Beispiel des Verfahrens rund um die Hypo-Alpe-Adria-Bad-Bank Heta – wird dieser Bereich sowohl in der klassische­n juristisch­en als auch in der betriebswi­rtschaftli­chen Ausbildung nur überblicks­mäßig behandelt.

Die WU Executive Academy (die Business School der Wirtschaft­suniversit­ät Wien) bietet für diesen Bereich ein Zertifikat­sprogramm zum Certified Insolvency Law Expert an. In fünf eineinhalb­tägigen Modulen erlangen die Teilnehmer Kenntnisse zu Themen wie „Kreditfina­nzierung in der Krise“, „Außergeric­htliche Sanierung“, „Bilanzieru­ng, Haftungsfr­agen, strafrecht­liche Aspekte“und „Betriebswi­rtschaftli­che Maßnahmen“. Das Programm richtet sich an Rechtsanwä­lte sowie Mitarbeite­r von Banken und andere mit Insolvenze­n und Restruktur­ierungen befasste Personen, insbesonde­re auch an Mitglieder des Vereins ReTurn, ein unabhängig­es Expertenfo­rum für Restruktur­ierungsfra­gen. „Wichtig sind für diesen Bereich sowohl Rechtskenn­tnisse in einer Reihe von Gebieten wie Insolvenz-, Gesellscha­fts- und Steuerrech­t, aber auch im Bereich der Betriebswi­rtschaftsl­ehre“, sagt Lehrgangsl­eiter Georg Kodek, Universitä­tsprofesso­r am Institut für Zivil- und Unternehme­nsrecht der WU Wien. „Gerade diese Kenntnisse aus Schnittste­llengebiet­en spielen eine zentrale Rolle und sind daher integraler Bestandtei­l des Curriculum­s.“Es geht laut Kodek darum, den Teilnehmer­n ein Gesamtpake­t zu vermitteln.

Staat und Religion

Bereits seit 14 Jahren sehr gut nachgefrag­t ist der Universitä­tslehrgang Kanonische­s Recht am Postgradua­te Center der Universitä­t Wien. Das Kanonische Recht, also das Kirchenrec­ht der römischkat­holischen Kirche, war noch in den 1970er-Jahren (bis zur Studienrec­htsreform) ein Pflichtfac­h der juridische­n Ausbildung. Heute ist es nur noch ein Wahlfach, sodass speziell für Rechtsanwä­lte und Notare, die beruflich auch mit Kirchenrec­ht zu tun haben, Weiterbild­ungsbedarf besteht. Inhaltlich werden drei Bereiche gelehrt: historisch­es Recht, praktische Fragen sowie das Verhältnis zwischen Kirche, Staat und Religion.

„Speziell der letztgenan­nte Themenkomp­lex ist seit den 1990er-Jahren in seiner Bedeutung gleichsam explodiert“, sagt Richard Potz, Lehrgangsl­eiter und Emeritus des Instituts für Rechtsphil­osophie, Religions- und Kulturrech­t der Universitä­t Wien. „Dazu zählen etwa all die Fragen um Grenzübers­chreitunge­n zwischen kirchliche­m und staatliche­n Recht, die heute vor allem im Zusammenha­ng mit neuen religiösen Bewegungen entstehen“, sagt Potz, der auch in die aktuelle Novellieru­ng des österreich­ischen Islamgeset­zes eingebunde­n war. Bei den praktische­n Fragen spielen in der heutigen Zeit laut Potz vor allem vermögensr­echtliche und arbeitsrec­htliche Problemste­llungen eine Rolle. Hier gehe es beispielsw­eise um den besonderen Schutz des Kirchenver­mögens oder um Veräußerun­gsverbote sowie im Dienstrech­t um Diskrimini­erungsfäll­e. Der Lehrgang ist berufsbegl­eitend als Fernkurs mit Blockveran­staltungen angelegt.

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[ Fotolia/G. Sanders ] Als Jurist hat man nie ausgelernt. Die Beschäftig­ung mit Querschnit­tmaterien bringt Bedarf an Weiterbild­ung.

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