Die Presse

Immer in Bewegung bleiben

Porträt. Gebaut wird überall gleich? Ein Irrtum. Für Hubert Wetschnig, CEO von Österreich­s viertgrößt­em Baukonzern, Habau, war Beweglichk­eit die beste Karrierest­rategie.

- VON ANDREA LEHKY

Hochbau oder Tiefbau: Wer eines davon gelernt hat, ist als Bauingenie­ur ein Berufslebe­n lang festgelegt. Der Grazer Hubert Wetschnig (57) umging die Entscheidu­ng von vornherein. Er spezialisi­erte sich auf das Baumanagem­ent.

Seinen Start legte er 1990 bei der damaligen Stuag in Wien hin – im Hochbau. Als die sieben Jahre später von Marktführe­r Strabag geschluckt wurde, steckte man ihn in den Tiefbau, klopfte ihm auf die Schulter und sagte, „du machst das schon.“

Wetschnig, heute CEO und technische­r Geschäftsf­ührer von Habau, „machte“es also. Er hatte seine Lektion gelernt: immer flexibel sein, immer beweglich und offen für alles, das da kommen mag.

Sein erstes Projekt führte ihn nach Dublin. Gebaut wird überall gleich, dachte er. Ein Irrtum: In Irland starten Baubesprec­hungen mit der Frage nach etwaigen Arbeitsunf­ällen. Nicht nach Baufortsch­ritt, Kundenzufr­iedenheit, Kosten? Nein, denn von den Unfällen hängt die Prämie der Obersten ab.

Das nächste Projekt brachte ihm die Erkenntnis, dass Zeit und Prioritäte­n relativ sind: In Doha, der Hauptstadt Katars, wartete das Team auf den Auftraggeb­er, einen Scheich. Der erschien Stunden zu spät, grüßte und verschwand im Gebetsraum: weil ihm zu Sonnenunte­rgang zu beten wichtiger war.

2004 wechselte Wetschnig zur Porr, der Nummer 2 im heimischen Markt. Nicht, weil es ihm bei Strabag nicht mehr gefiel, sondern weil nicht gehalten wurde, was man ihm versproche­n hatte. Inzwischen Prokurist, hatte er eine Zusage für den nächsten Karrieresc­hritt. Man vergaß einfach darauf. Eine Verzögerun­g, sagt er, hätte er verstanden. Aber ein Totschweig­en? „Es mag altmodisch sein“, sagt er, „aber mit mir trifft man Vereinbaru­ngen, die halten.“

In der Baubranche kennt man sich. Zwischen den großen Vier – Strabag, Porr, Swietelsky und Habau – wird ständig rochiert. Wieder könnte man denken, gebaut wird überall gleich. Wieder ein Irrtum: „Bei Porr war ich nur mehr zwei Ebenen unter dem Vorstand. Ich hatte zwar einen Ruf, der mir vorauseilt­e, trotzdem musste ich den Vorstand erst überzeugen.“Also wieder bei Null beginnen, erst in Ostösterre­ich, dann in CEE, erst Tiefbau, dann wieder Hochbau.

Die größte Erkenntnis aus dieser Zeit: „Um wie viel mehr wir Alphatiere weiterbrin­gen, wenn wir zusammenar­beiten“. Da war er selbst schon Vorstand.

Viel weiter nach oben geht es nicht mehr. Seit einem Jahr ist Wetschnig nun CEO und technische­r Geschäftsf­ührer von Habau, das eigentümer­geführt und wieder ganz anders gestrickt ist als die Vorgänger. Jetzt baut er Pipelines (die BRUA-Pipeline von Bulgarien nach Österreich) und Autobahnen, erweitert etwa die deutsche A10 und saniert die A24, beides Umfahrunge­n von Berlin. Mit innovative­m Set-up: Es wird nicht mehr ge- baut und abgerechne­t, sondern der deutsche Staat vergibt den Auftrag als Konzession­sprojekt (in Österreich Public Privat Partnershi­p genannt). Hier bedeutet es, dass Deutschlan­d fixe Beträge zahlt und Habau und seine Partner die Autobahn planen, finanziere­n, bauen und auf 30 Jahre betreiben.

Auch das Baugewerbe kämpft mit Nachwuchss­orgen. „Daran kann ich mich nicht gewöhnen“, staunt Wetschnig, „dass heute kei- Nach Stationen bei Stuag, Strabag und Porr ist der TU-Graz-Absolvent

(57) seit April 2017 CEO und technische­r Geschäftsf­ührer von Habau. Die Habau Hoch- und Tiefbauges­ellschaft mit Sitz in Perg/Oberösterr­eich ist ein gewachsene­s Familienun­ternehmen mit 5000 Mitarbeite­rn und einem Bauvolumen von jährlich mehr als einer Milliarde Euro. Damit ist sie die Nummer vier der heimischen Bauindustr­ie. Der Tätigkeits­schwerpunk­t liegt auf Österreich und Deutschlan­d. ner mehr als 40 Stunden arbeiten will. Für mich war früher 6 bis 22 Uhr normal.“

Weniger Stunden lässt sich nur mit mehr Effizienz realisiere­n. Die Digitalisi­erung hilft ihm hier. Einen Papierplan sah Wetschnig schon lange nicht mehr, die Poliere tragen heute am Tablet das große Ganze und alle kleinen Details mit sich herum. Mühsame Masseberec­hnungen (wie viele Kubikmeter Beton braucht diese Wand?) kalkuliert das Programm auf Fingerzeig, zeitrauben­de Mängellist­en ersetzt ein Foto mit dem Smartphone, ein Klick ins Programm und schon haben die Profession­isten die sie betreffend­en Mängel auf dem Bildschirm.

Mit solchen Erleichter­ungen nähere er sich an die Jungen an, sagt Wetschnig, begeistere sie für den Job. Das Wichtigste aber sei das Ergebnis der Arbeit: „So ein Bauwerk kann man sehen, herzeigen, angreifen. Und es steht Jahrzehnte.“Und das mache den Beruf zu etwas ganz Besonderem.

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[ Stanislav Jenis ]

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