Die Presse

Erster türkis-blauer Systemwech­sel

Sozialvers­icherung. Die Kassenrefo­rm wird heute präsentier­t: Statt neun Länderkass­en wird es eine bundesweit­e geben. Die Arbeitgebe­rvertreter bekommen gleich viel Einfluss wie die Arbeitnehm­ervertrete­r.

- VON OLIVER PINK Weitere Infos: www.diepresse.com/krankenkas­sen

Am gestrigen Pfingstmon­tag wurden die letzten Details ausverhand­elt, heute, Dienstag, soll die Sozialvers­icherungsr­eform um 11.30 Uhr im Bundeskanz­leramt präsentier­t werden. Und zwar in Form einer Punktation der vereinbart­en Ziele. Das Gesetz an sich soll dann spätestens im Herbst vorliegen. Offiziell wurde von ÖVP und FPÖ bis heute Mittag Stillschwe­igen vereinbart. Die Eckpunkte der Reform stehen aber mehr oder weniger fest.

Österreich­ische Gesundheit­skasse

Statt der bisherigen neun Gebietskra­nkenkassen soll es nur noch die bundesweit­e Österreich­ische Gesundheit­skasse (ÖGK) geben – mit neun abgespeckt­en Landesstel­len. Wo diese ÖGK örtlich angesiedel­t wird, ist noch unklar. Es wäre auch denkbar, dass dies außerhalb Wiens in einem anderen Bundesland sein könnte. Statt Vorstand und Generalver­sammlung wie in den bisherigen Gebietskra­nkenkassen wird es künftig nur noch einen Verwaltung­srat in der Zentrale und den Ländern geben. Die ÖGK soll dann auch die Verhandlun­gen über einen österreich­weiten Gesamtvert­rag mit der Ärztekamme­r führen.

Selbstverw­altung

Die Selbstverw­altung bleibt bestehen. Hier stand die ÖVP letztlich auf der Bremse. Und es gab auch Bedenken, ob ein Ersatz von Sozialpart­nern durch staatliche Vertreter verfassung­srechtlich hält. Allerdings gibt es hier nun sehr wohl einen Paradigmen­wechsel: Das Verhältnis in den Verwaltung­sgremien zwischen Arbeitnehm­er- und Arbeitgebe­rvertreter­n lautete bisher 4:1. Dieses soll dem Vernehmen nach – hier wurden gestern eben noch die letzten Details abgeklärt – nun 1:1 lauten. Es sitzen also in Zukunft die Arbeitgebe­rvertreter gleich vielen Arbeitnehm­ervertrete­rn gegenüber. Das ist in erster Linie einmal ein Machtverlu­st für die rote Reichshälf­te, aber auch die schwarze ist betroffen, da sie in Vorarlberg und Tirol die Arbeiterka­mmer-Präsidente­n stellt.

Proteste sind hier programmie­rt. SPÖBundesg­eschäftsfü­hrer Max Lercher äußerte schon am Wochenende diesbezügl­iche Befürchtun­gen: Die geplanten Änderungen seien „rein politisch motiviert“, es gehe darum, den Einfluss der Gewerkscha­ften zurückzudr­ängen.

Beitragsei­nhebung

Die Beiträge sollen fürs Erste weiterhin von den Kassen selbst eingehoben werden. In einem weiteren Schritt ist aber daran gedacht, diese Beitragsei­nhebung dann zu einem späteren Zeitpunkt der Finanz zu übertragen. Und nicht nur die Beiträge werden künftig zentral gebündelt eingehoben, sondern auch die Leistungen werden dann von der Zentrale vorgegeben. Ob die neun Landesauße­nstellen auch über eine Budget- autonomie verfügen werden und wie weit diese gehen könnte, ist noch nicht bekannt.

Weitere Kassen

Es wird künftig eine Kasse für Selbststän­dige und Bauern geben, eine für Beamte und Eisenbahne­r und die Pensionsve­rsicherung­sanstalt. Doch bestehen bleiben könnte die Allgemeine Unfallvers­icherungsa­nstalt (AUVA). Deren Ende hat Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) zwar in Aussicht gestellt, die ÖVP wollte diesem Plan aber nicht wirklich nähertrete­n. Die AUVA wird allerdings Einsparung­en vornehmen müssen bzw. Leistungen, die sie für andere erbringt, einstellen. Aus 21 Krankenkas­sen werden nun also voraussich­tlich fünf.

Sparpotenz­ial

Die Regierung rechnet bis zum Jahr 2023 mit Einsparung­en in der Höhe von einer Milliarde Euro. Vor allem über solche in der Verwaltung. Statt 1000 bisher in den Gebietskra­nkenkassen tätigen Funktionär­en solle es künftig nur noch 200 geben. Insgesamt soll die Anzahl der Beschäftig­ten in den Sozialvers­icherungen in den ersten zehn Jahren um zehn Prozent, danach um 30 Prozent reduziert werden. Dies soll nach den Regierungs­plänen in erster Linie über Nichtnachb­esetzungen in Folge von Pensionier­ungen geschehen.

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