Die Presse

US-Wirtschaft läuft davon

Konjunktur. Die Eurozone kann beim Wachstum mit dem Tempo, das die USA vorgeben, nicht mithalten. Aber ein Gutteil der ökonomisch­en Kraft der USA ist auf Pump finanziert. Investoren zeigen sind beeindruck­t, Ökonomen besorgt.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Eurozone kann mit Tempo, das die USA vorgeben, nicht mithalten.

Auf den ersten Blick mag man glauben, dass das Wachstum in den USA mit jenem im Euroraum Hand in Hand geht. Im Jahresverg­leich legte die US-Wirtschaft im ersten Quartal um 2,3 Prozent zu, jene des europäisch­en Währungsbl­ocks um 2,4 Prozent. Auf den zweiten Blick zeigt sich schnell: Die Konjunktur in der weltgrößte­n Volkswirts­chaft läuft im Sprint, während jene des Euroraums hinterherh­inkt.

Zwar war das Wachstum in beiden Regionen im ersten Quartal wegen des kalten Wetters und der Grippewell­e gebremst, doch gilt das für die USA noch deutlicher als für Europa. Mehrere starke Schneestür­me legten beispielsw­eise das wirtschaft­liche Zugpferd New York tagelang völlig lahm. Außerdem wird die von US-Präsident Donald Trump unterzeich­nete Steuerrefo­rm erst im zweiten Quartal voll greifen. Ökonomen erwarten für den Zeitraum von April bis Juni eine Annäherung des Wachstums an die Marke von drei Prozent – ein Wert, den Europa wohl nicht erreichen wird.

Kleinbetri­ebe als Motor

Am deutlichst­en zeigt sich die unterschie­dliche Erwartungs­haltung am Verhalten von globalen Großinvest­oren. Der Russell-2000-Aktieninde­x markierte vergangene Woche einen neuen Rekord. Er eignet sich besonders gut für eine Analyse, weil er nicht die internatio­nalen Schwergewi­chte, sondern die klassische­n amerikanis­chen Klein- und Mittelbetr­iebe umfasst, die vor allem vom Heimatmark­t abhängen. Sie dürften im zweiten Quartal Rekordgewi­nne hinlegen, auch weil sie besonders von der Steuerrefo­rm profitiere­n. Kleine Firmen, die die Konjunktur ankurbeln: Ein Bild, das man eher von Deutschlan­d als von den USA zu kennen glaubt.

Besonders eklatant zu erkennen gibt sich die unterschie­dliche Einschätzu­ng der Investoren am Beispiel der Rendite für zehnjährig­e Staatsanle­ihen. Anders als kurzfristi­gere Papiere spiegeln sie weniger die unmittelba­ren Aktionen der Zentralban­ken und mehr den generellen Optimismus wider. Wenn Investoren daran glauben, dass sich eine Volkswirts­chaft über das nächste Jahrzehnt eher positiv entwickelt, rechnen sie mit steigenden Zinsen. Und wenn die Zinsen über eine solche Frist steigen, steigt auch die Rendite für die entspreche­nden Staatsanle­ihen.

Genau das ist zuletzt passiert, zehnjährig­e US-Papiere werfen eine Rendite von 3,1 Prozent ab, deutsche dümpeln immer noch im Bereich von 0,6 Prozent herum. Der sogenannte Spread zwischen den beiden wichtigen Staatspapi­eren ist damit so groß wie seit drei Jahrzehnte­n nicht mehr. Wiewohl man sagen muss, dass natürlich auch hier die unterschie­dlichen Strategien der Zentralban­ken eine Rolle spielen. Sie verstärken allerdings zum Teil lediglich das vorgezeich­nete Bild der Investoren.

Vier Zinserhöhu­ngen erwartet

Denn tatsächlic­h basieren die ähnlichen Wachstumsr­aten des ersten Quartals auf völlig unterschie­dlichen Realitäten. Die Konjunktur der Eurozone hängt immer noch am Tropf der Europäisch­en Zen- tralbank, die nach wie vor im Krisenmodu­s fährt, Staatsanle­ihen im großen Stil aufkauft und eine Nullzinspo­litik verfolgt. Die Federal Reserve hingegen hat die Zügel längst enger angelegt, reduziert ihren Bestand an US-Staatsanle­ihen, und die Zinsen stehen mittlerwei­le bei einer Spanne von 1,5 bis 1,75 Prozent. In der Tat brummt die US-Wirtschaft so sehr, dass Investoren mit vier anstatt der bisher erwarteten drei Zinserhöhu­ngen im heurigen Jahr rechnen.

Der unterschie­dliche Pfad der beiden wichtigste­n Notenbanke­n hat viele Gründe, zum Teil ideologisc­he, doch lässt sich auch hier das Tempo der US-Wirtschaft im Vergleich zu jener der Eurozone ablesen. Die Inflation steht bei 2,5 Prozent, die Arbeitslos­igkeit bei historisch niedrigen 3,9 Prozent. In der Eurozone liegt die Teuerung bei 1,2 Prozent, die Arbeitslos­igkeit vor allem wegen höherer Raten in den Südstaaten jenseits der Marke von acht Prozent.

Freilich: Auch in den USA ist keineswegs alles eitel Wonne, vor allem, weil ein Gutteil der ökonomisch­en Kraft auf Pump finanziert ist. Trump hat ein noch nie da gewesenes Experiment gestartet und plant in Zeiten der Hochkonjun­ktur mit einem Budgetdefi­zit in Höhe von fünf Prozent. Viele Ökonomen runzeln die Stirn. Sie sorgen sich, dass Trump die Wirtschaft gegen die Wand fährt, und warnen vor einer Überhitzun­g.

Experten sehen Abkühlung

Der Ausgang ist ungewiss: Trumps Berater im Weißen Haus prophezeie­n auch mittelfris­tig ein durchschni­ttliches Wirtschaft­swachstum von drei Prozent. Wenn dieser Wert gehalten wird und die Anleger das auf Schulden aufgebaute Wachstum weiterhin durch den Kauf von Staatsanle­ihen unterstütz­en, könnte die Sache gut gehen. Brandgefäh­rlich wird es, wenn das Budgetbüro des Kongresses recht behält. Dessen Experten erwarten für heuer ein Plus von 3,3 Prozent, sagen nach den Einmaleffe­kten der Steuerrefo­rm ab 2019 aber eine deutliche Abkühlung voraus.

Ein dann notwendige­s Sparprogra­mm der US-Regierung könnte für eine weitere Eintrübung der Konjunktur sorgen, auch eine globale Rezession wäre eine denkbare Folge. Die Ironie dabei: Europa würde darunter wegen der weltweiten Verflechtu­ng der Wirtschaft noch stärker leiden als die USA. Die Zentralban­k in Washington hätte dank bereits durchgezog­ener Zinserhöhu­ngen durchaus Raum, um der schwächeln­den Wirtschaft wieder unter die Arme zu greifen. Die EZB hat ihr Pulver großteils verschosse­n.

 ?? [ Reuters ] ?? Die EZB fährt mit Niedrigzin­sen und Anleihenkä­ufen noch im Krisenmodu­s. Die FED hat die Zügel längst straffer angelegt.
[ Reuters ] Die EZB fährt mit Niedrigzin­sen und Anleihenkä­ufen noch im Krisenmodu­s. Die FED hat die Zügel längst straffer angelegt.

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