US-Wirtschaft läuft davon
Konjunktur. Die Eurozone kann beim Wachstum mit dem Tempo, das die USA vorgeben, nicht mithalten. Aber ein Gutteil der ökonomischen Kraft der USA ist auf Pump finanziert. Investoren zeigen sind beeindruckt, Ökonomen besorgt.
Eurozone kann mit Tempo, das die USA vorgeben, nicht mithalten.
Auf den ersten Blick mag man glauben, dass das Wachstum in den USA mit jenem im Euroraum Hand in Hand geht. Im Jahresvergleich legte die US-Wirtschaft im ersten Quartal um 2,3 Prozent zu, jene des europäischen Währungsblocks um 2,4 Prozent. Auf den zweiten Blick zeigt sich schnell: Die Konjunktur in der weltgrößten Volkswirtschaft läuft im Sprint, während jene des Euroraums hinterherhinkt.
Zwar war das Wachstum in beiden Regionen im ersten Quartal wegen des kalten Wetters und der Grippewelle gebremst, doch gilt das für die USA noch deutlicher als für Europa. Mehrere starke Schneestürme legten beispielsweise das wirtschaftliche Zugpferd New York tagelang völlig lahm. Außerdem wird die von US-Präsident Donald Trump unterzeichnete Steuerreform erst im zweiten Quartal voll greifen. Ökonomen erwarten für den Zeitraum von April bis Juni eine Annäherung des Wachstums an die Marke von drei Prozent – ein Wert, den Europa wohl nicht erreichen wird.
Kleinbetriebe als Motor
Am deutlichsten zeigt sich die unterschiedliche Erwartungshaltung am Verhalten von globalen Großinvestoren. Der Russell-2000-Aktienindex markierte vergangene Woche einen neuen Rekord. Er eignet sich besonders gut für eine Analyse, weil er nicht die internationalen Schwergewichte, sondern die klassischen amerikanischen Klein- und Mittelbetriebe umfasst, die vor allem vom Heimatmarkt abhängen. Sie dürften im zweiten Quartal Rekordgewinne hinlegen, auch weil sie besonders von der Steuerreform profitieren. Kleine Firmen, die die Konjunktur ankurbeln: Ein Bild, das man eher von Deutschland als von den USA zu kennen glaubt.
Besonders eklatant zu erkennen gibt sich die unterschiedliche Einschätzung der Investoren am Beispiel der Rendite für zehnjährige Staatsanleihen. Anders als kurzfristigere Papiere spiegeln sie weniger die unmittelbaren Aktionen der Zentralbanken und mehr den generellen Optimismus wider. Wenn Investoren daran glauben, dass sich eine Volkswirtschaft über das nächste Jahrzehnt eher positiv entwickelt, rechnen sie mit steigenden Zinsen. Und wenn die Zinsen über eine solche Frist steigen, steigt auch die Rendite für die entsprechenden Staatsanleihen.
Genau das ist zuletzt passiert, zehnjährige US-Papiere werfen eine Rendite von 3,1 Prozent ab, deutsche dümpeln immer noch im Bereich von 0,6 Prozent herum. Der sogenannte Spread zwischen den beiden wichtigen Staatspapieren ist damit so groß wie seit drei Jahrzehnten nicht mehr. Wiewohl man sagen muss, dass natürlich auch hier die unterschiedlichen Strategien der Zentralbanken eine Rolle spielen. Sie verstärken allerdings zum Teil lediglich das vorgezeichnete Bild der Investoren.
Vier Zinserhöhungen erwartet
Denn tatsächlich basieren die ähnlichen Wachstumsraten des ersten Quartals auf völlig unterschiedlichen Realitäten. Die Konjunktur der Eurozone hängt immer noch am Tropf der Europäischen Zen- tralbank, die nach wie vor im Krisenmodus fährt, Staatsanleihen im großen Stil aufkauft und eine Nullzinspolitik verfolgt. Die Federal Reserve hingegen hat die Zügel längst enger angelegt, reduziert ihren Bestand an US-Staatsanleihen, und die Zinsen stehen mittlerweile bei einer Spanne von 1,5 bis 1,75 Prozent. In der Tat brummt die US-Wirtschaft so sehr, dass Investoren mit vier anstatt der bisher erwarteten drei Zinserhöhungen im heurigen Jahr rechnen.
Der unterschiedliche Pfad der beiden wichtigsten Notenbanken hat viele Gründe, zum Teil ideologische, doch lässt sich auch hier das Tempo der US-Wirtschaft im Vergleich zu jener der Eurozone ablesen. Die Inflation steht bei 2,5 Prozent, die Arbeitslosigkeit bei historisch niedrigen 3,9 Prozent. In der Eurozone liegt die Teuerung bei 1,2 Prozent, die Arbeitslosigkeit vor allem wegen höherer Raten in den Südstaaten jenseits der Marke von acht Prozent.
Freilich: Auch in den USA ist keineswegs alles eitel Wonne, vor allem, weil ein Gutteil der ökonomischen Kraft auf Pump finanziert ist. Trump hat ein noch nie da gewesenes Experiment gestartet und plant in Zeiten der Hochkonjunktur mit einem Budgetdefizit in Höhe von fünf Prozent. Viele Ökonomen runzeln die Stirn. Sie sorgen sich, dass Trump die Wirtschaft gegen die Wand fährt, und warnen vor einer Überhitzung.
Experten sehen Abkühlung
Der Ausgang ist ungewiss: Trumps Berater im Weißen Haus prophezeien auch mittelfristig ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von drei Prozent. Wenn dieser Wert gehalten wird und die Anleger das auf Schulden aufgebaute Wachstum weiterhin durch den Kauf von Staatsanleihen unterstützen, könnte die Sache gut gehen. Brandgefährlich wird es, wenn das Budgetbüro des Kongresses recht behält. Dessen Experten erwarten für heuer ein Plus von 3,3 Prozent, sagen nach den Einmaleffekten der Steuerreform ab 2019 aber eine deutliche Abkühlung voraus.
Ein dann notwendiges Sparprogramm der US-Regierung könnte für eine weitere Eintrübung der Konjunktur sorgen, auch eine globale Rezession wäre eine denkbare Folge. Die Ironie dabei: Europa würde darunter wegen der weltweiten Verflechtung der Wirtschaft noch stärker leiden als die USA. Die Zentralbank in Washington hätte dank bereits durchgezogener Zinserhöhungen durchaus Raum, um der schwächelnden Wirtschaft wieder unter die Arme zu greifen. Die EZB hat ihr Pulver großteils verschossen.