Die armen jungen Leute von heute
Mein
schwedischer Freund R. und ich standen an diesem Pfingstwochenende in der limburgischen Gegend herum, während unsere Kinder Ziegen, Gänse und Pferde bejubelten, und da sagte R. einen Satz, den ich hier zur Debatte stellen würde: „Das ganze Problem der heutigen Jugendkultur besteht darin, dass die Jugendlichen keine Bands mehr gründen.“Wir hatten uns, zwischen Ferienbungalows und Streichelzooweiden wandelnd, ein bisschen in Rage geredet angesichts des Umstands, dass Beyonce´ als emanzipatorisches Vorbild für junge Frauen hochhysterisiert wird. „Ich verstehe diesen Hype um Beyonce´ nicht“, sprach R., der popkulturell aus seiner Zeit in England und Berlin einiges mitgenommen hatte. „Man sagt, sie sei die neue Aretha Franklin. Lachhaft!“Er habe gewissermaßen ein Schlüsselerlebnis gehabt, als ihn eine jüngere Arbeitskollegin auf seine Frage, welche Bands man heute so höre, verständnislos angeschaut habe. Bands? Die jungen Leute von heute hören DJs.
Vielleicht war meine schwarze Sicht auf die gegenwärtige Popkultur dadurch gefärbt, dass unsere Nachbarn in der niederländischen Ferienkolonie, ein Trupp Deutscher in ihren Zwanzigern, schon mittags begannen, das Beerpong-Spiel mit dröhnend lauten Ballermann-Hervorbringungen von Mickie Krause, den Atzen und anderen Schallverbrechern zu untermalen. Vielleicht ist es der einsetzende Altersstarrsinn. Aber ich bin froh, in einer Zeit Teenager gewesen zu sein, als man auf MTV noch interessante, oft schräge Musik kennenlernen konnte, man sich noch Stück für Stück durch ein Album durchhören musste, statt sich von Spotifys algorithmischer Formel eine formlose Klangsauce servieren zu lassen, und Erscheinungen wie die Kardashians undenkbar waren, weil man zumindest irgendetwas können musste, um ins Fernsehen zu kommen. Die jungen Leute von heute, sie tun mir leid. Früher war vieles nicht besser. Das Jungsein möglicherweise schon.