Der gute Opapa des ORF und seine gute Miene zum bösen Spiel
Der neue Stiftungsratsvorsitzende hält offenbar wenig davon, auf klare Fragen ebensolche Antworten zu geben. Neu ist allerdings die eifrige Umfärberei nicht wirklich.
Nana, aber nein, aber geh, aber schauns. Vermutlich gibt es in den Schulen rund um den Küniglberg derzeit einen eklatanten Kreidemangel, weil Norbert Steger alle Vorräte aufgekauft hat. Wie ein netter Großpapa kopfwiegelte er bei Nadja Bernhard im ZiB2-Studio alle Fragen erst einmal lächelnd ab, um sodann möglichst viel Wortgeklingel, umhüllt von bedenklich heißer, kreidegeschwängerter Luft, entweichen zu lassen.
Schon ertappte man sich bei der misstrauischen Selbstbefragung, ob sich der neue Stiftungsrat die Moderatorin für seinen ersten Auftritt als blauer Vorsitzender womöglich hatte wünschen dürfen. Sollte sich Herr Steger tatsächlich anderes erwartet haben: Nadja Bernhard warf keine Hölzchen, sie ließ sich nicht davon abbringen, Fragen zu stellen, allerdings mit wenig Erfolg. Weshalb sie zwar keine grantige, aber mitunter doch eine peinlich berührte Miene zum unergiebigen Gute-Frage-NichtssagendeAntwort-Spiel machte. Wie man halt so dreinschaut, wenn der Opa in die gute Stube schneit, einen auf Märchenstunde macht: „Alles ist würdig, sonst würde ich es nicht sagen.“
Sicher, auch die SPÖ war in der Vergangenheit machttaktisch um kein Jota besser, baute Brücken vor allem zu den eigenen V-Leuten, färbelte flott möglichst tiefenwirksam auf Rot um, nahm Einfluss, intrigierte und installierte, machte handzahm und gefügig, in allen staatsnahen Betrieben, also auch im ORF.
Gut erinnerlich, als Gerd Bacher 1994 dank geschickt gesponnener SP-Intrigen durch Gerhard Zeiler abgelöst wurde, der dem ORF dann übrigens wirklich einen vierjährigen Modernisierungsschub verordnete und Parteiwünschen, kaum hatte er sein Büro im sechsten Stock bezogen, erfreulich wenig Gehör schenkte. Ebenso gut erinnerlich, als Elmar Oberhauser 2010 vom rot-grünen Freundeskreis abserviert wurde, weil er mit seinem Chef Alexander Wrabetz über die Bestellung von Fritz Dittlbacher zum TVChefredakteur uneins war. Nun droht Dittlbacher, der seinen Job durchaus ta- dellos erledigt hat, die Degradierung. Der ORF ist ein Ringelspiel, das ist kein Spaß und kost auch viel.
Dass Leute, die weder Rot noch Schwarz eindeutig zuordenbar sind, derzeit taxfrei zu Blausympathisanten erklärt werden, ist einer der vielen Kollateralschäden dieser Politmauscheleien. Lässt sich so ein unabhängiger Kandidat, eine unabhängige Kandidatin, egal für welchen Spitzenposten, finden? Eher nicht. Und vielleicht stimmt es eh, vielleicht auch nicht, auf alle Fälle jedenfalls senkt es rasant das Ansehen (nicht nur) in der Kollegenschaft. Wer traut im ORF noch wem? Wer sitzt mit wem in der Kantine, wer verschwindet im Sondergastraum? Wer wird was warum – und wer bleibt niemand? Wer muss eigentlich warum welchen Posten räumen? Wer profitiert, wenn Fernsehdirektorin Kathrin Zechner derart kaltblütig entmachtet wird?
Und wer glaubt tatsächlich, dass diese Organisationsstruktur dazu erfunden wurde, um den Parteieneinfluss auf den ORF zurückzudrängen?
Ohne altersdiskriminierend sein zu wollen, stellt sich auch die Frage, ob 74 bei allem gebotenen Respekt vor der Weisheit des Alters nicht doch ein wenig zu seniorig ist, um die größte Medienorgel des Landes auf Zukunft zu stimmen. Sicher, länger arbeiten macht froh, hält gesund und geistig fit.
Aber während andernorts aus Sparsamkeitsgründen bereits um 20 Jahre jüngere Menschen gegen ihren Willen in die Altersteilzeit gelobt werden, wird hier jemand an die Spitze des Aufsichtsrats gehievt, der vermutlich mit dem rasanten Tempo, in dem sich die Medienwelt verändert, einigermaßen ge-, um nicht zu sagen überfordert ist. Dann passiert, dass als Modernisierungsmaßnahmen nur Drohungen gegen angeblich unbotmäßig berichtende Journalisten übrig bleiben. Oder bedeutet Zukunftsplanung für den ORF wirklich nur ein türkis-blauer Verputz?