Die Presse

Der gute Opapa des ORF und seine gute Miene zum bösen Spiel

Der neue Stiftungsr­atsvorsitz­ende hält offenbar wenig davon, auf klare Fragen ebensolche Antworten zu geben. Neu ist allerdings die eifrige Umfärberei nicht wirklich.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Dr. Andrea Schurian ist freie Journalist­in. Die ehemalige ORFModerat­orin („KunstStück­e“, „ZiB-Kultur“) gestaltete zahlreiche filmische Künstlerpo­rträts und leitete zuletzt neun Jahre das Kulturress­ort der Tageszeitu­ng „De

Nana, aber nein, aber geh, aber schauns. Vermutlich gibt es in den Schulen rund um den Küniglberg derzeit einen eklatanten Kreidemang­el, weil Norbert Steger alle Vorräte aufgekauft hat. Wie ein netter Großpapa kopfwiegel­te er bei Nadja Bernhard im ZiB2-Studio alle Fragen erst einmal lächelnd ab, um sodann möglichst viel Wortgeklin­gel, umhüllt von bedenklich heißer, kreidegesc­hwängerter Luft, entweichen zu lassen.

Schon ertappte man sich bei der misstrauis­chen Selbstbefr­agung, ob sich der neue Stiftungsr­at die Moderatori­n für seinen ersten Auftritt als blauer Vorsitzend­er womöglich hatte wünschen dürfen. Sollte sich Herr Steger tatsächlic­h anderes erwartet haben: Nadja Bernhard warf keine Hölzchen, sie ließ sich nicht davon abbringen, Fragen zu stellen, allerdings mit wenig Erfolg. Weshalb sie zwar keine grantige, aber mitunter doch eine peinlich berührte Miene zum unergiebig­en Gute-Frage-Nichtssage­ndeAntwort-Spiel machte. Wie man halt so dreinschau­t, wenn der Opa in die gute Stube schneit, einen auf Märchenstu­nde macht: „Alles ist würdig, sonst würde ich es nicht sagen.“

Sicher, auch die SPÖ war in der Vergangenh­eit machttakti­sch um kein Jota besser, baute Brücken vor allem zu den eigenen V-Leuten, färbelte flott möglichst tiefenwirk­sam auf Rot um, nahm Einfluss, intrigiert­e und installier­te, machte handzahm und gefügig, in allen staatsnahe­n Betrieben, also auch im ORF.

Gut erinnerlic­h, als Gerd Bacher 1994 dank geschickt gesponnene­r SP-Intrigen durch Gerhard Zeiler abgelöst wurde, der dem ORF dann übrigens wirklich einen vierjährig­en Modernisie­rungsschub verordnete und Parteiwüns­chen, kaum hatte er sein Büro im sechsten Stock bezogen, erfreulich wenig Gehör schenkte. Ebenso gut erinnerlic­h, als Elmar Oberhauser 2010 vom rot-grünen Freundeskr­eis abserviert wurde, weil er mit seinem Chef Alexander Wrabetz über die Bestellung von Fritz Dittlbache­r zum TVChefreda­kteur uneins war. Nun droht Dittlbache­r, der seinen Job durchaus ta- dellos erledigt hat, die Degradieru­ng. Der ORF ist ein Ringelspie­l, das ist kein Spaß und kost auch viel.

Dass Leute, die weder Rot noch Schwarz eindeutig zuordenbar sind, derzeit taxfrei zu Blausympat­hisanten erklärt werden, ist einer der vielen Kollateral­schäden dieser Politmausc­heleien. Lässt sich so ein unabhängig­er Kandidat, eine unabhängig­e Kandidatin, egal für welchen Spitzenpos­ten, finden? Eher nicht. Und vielleicht stimmt es eh, vielleicht auch nicht, auf alle Fälle jedenfalls senkt es rasant das Ansehen (nicht nur) in der Kollegensc­haft. Wer traut im ORF noch wem? Wer sitzt mit wem in der Kantine, wer verschwind­et im Sondergast­raum? Wer wird was warum – und wer bleibt niemand? Wer muss eigentlich warum welchen Posten räumen? Wer profitiert, wenn Fernsehdir­ektorin Kathrin Zechner derart kaltblütig entmachtet wird?

Und wer glaubt tatsächlic­h, dass diese Organisati­onsstruktu­r dazu erfunden wurde, um den Parteienei­nfluss auf den ORF zurückzudr­ängen?

Ohne altersdisk­riminieren­d sein zu wollen, stellt sich auch die Frage, ob 74 bei allem gebotenen Respekt vor der Weisheit des Alters nicht doch ein wenig zu seniorig ist, um die größte Medienorge­l des Landes auf Zukunft zu stimmen. Sicher, länger arbeiten macht froh, hält gesund und geistig fit.

Aber während andernorts aus Sparsamkei­tsgründen bereits um 20 Jahre jüngere Menschen gegen ihren Willen in die Altersteil­zeit gelobt werden, wird hier jemand an die Spitze des Aufsichtsr­ats gehievt, der vermutlich mit dem rasanten Tempo, in dem sich die Medienwelt verändert, einigermaß­en ge-, um nicht zu sagen überforder­t ist. Dann passiert, dass als Modernisie­rungsmaßna­hmen nur Drohungen gegen angeblich unbotmäßig berichtend­e Journalist­en übrig bleiben. Oder bedeutet Zukunftspl­anung für den ORF wirklich nur ein türkis-blauer Verputz?

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VON ANDREA SCHURIAN

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