Angst vor den Populisten in Rom
Italien. Staatspräsident Mattarella nimmt sich etwas Bedenkzeit, bevor er die geplante Koalition zwischen Lega und Fünf-Sterne-Bewegung absegnet. Der designierte Premier, Giuseppe Conte, spaltet das Land.
Die erste Wirkung, die Giuseppe Conte auf Italien hat, ist erst einmal positiv: Nach der Ankündigung in Rom, er solle als Dritter von außen die Regierungsgeschäfte übernehmen, haben sich zumindest die Märkte etwas beruhigt. Der Spread, der Risikoaufschlag für zehnjährige italienische Staatsanleihen im Vergleich zu deutschen Bundesanleihen, sank am Dienstag auf unter 175 Basispunkte. Am Montag war der Indikator für das Vertrauen der Märkte in Italien auf über 185 Punkte gestiegen. Die Aussicht auf eine Regierung zwischen der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der rechten Lega hält Europa derzeit in Atem. Staatspräsident Sergio Mattarella wollte sich selbst etwas Bedenkzeit geben und am Dienstag noch nichts verkünden. Er muss am Ende den künftigen Regierungschef mit der Regierungsbildung in Italien beauftragen.
Die Meinungen zu Conte sind in Italien gespalten. Einige fürchten, er werde nur eine Marionette der Parteichefs der Koali- tionsparteien, Luigi Di Maio (Fünf Sterne) und Matteo Salvini (Lega), sein. Am Dienstag machten Vorwürfe die Runde, Conte habe seinen akademischen Lebenslauf geschönt. Die Fünf-Sterne-Bewegung dementierte das. Dass dieses Thema aufkäme, sei nur die x-te Bestätigung dafür, „dass alle wirklich Angst vor dieser Regierung des Wandels haben“.
Zweifel an Wahlversprechen
Doch worin besteht diese Angst? Aus europäischer Sicht handle es sich bei einer möglichen Regierung aus Fünf Sternen und Lega sicher nicht um eine Wunschkonstellation, sagte Caroline Kanter, Direktorin der Konrad-Adenauer-Stiftung in Rom. Auch wenn die Entscheidung der Wähler zu respektieren sei, könne Kanter die Skepsis, die derzeit herrsche, nachvollziehen. „Matteo Salvini und auch Luigi Di Maio haben schon während des Wahlkampfs darauf hingewiesen, dass sie die ,europäischen Verträge‘ neu verhandeln wollen. Wie realistisch das ist, darüber lässt sich streiten“, so die Expertin. Darüber hinaus gebe es berechtigte Zweifel, dass die neue Regierung vorrangig die Stabilitäts- und Wachstumskriterien einhalten möchte. Sollten die Parteien ihre Wahlversprechen tatsächlich umsetzen, bestehe das Risiko einer höheren Staatsverschuldung und eines wachsenden Defizits.
Referenzpunkt Marine Le Pen
Auch beim Thema „Migration“müsse man mit einem neuen Kurs der italienischen Regierung rechnen. „Hier geht es zukünftig stärker um die Bekämpfung der illegalen Einwanderung und der schnelleren Abschiebung von Migranten, die sich nicht regulär im Land aufhalten“, so Kanter. Die Forderung, dass die Dublin-Verträge, die die Flüchtlingspolitik in der EU regeln, neu überarbeitet werden müssen, sei aber nichts Neues und keine Forderung, die nur aus Italien komme. „Neu wäre hingegen, wie eine Sterne-Lega-Regierung die finanziellen Mittel ausgeben möchte: vorrangig für Abschiebung und weniger für die Aufnahme der Migranten.“
Das Problem für Europa sei auch, dass weder Di Maio noch Salvini sich an Frankreichs Präsidenten, Emmanuel Macron, orientieren oder zu Bundeskanzlerin Angela Merkel schauen. „Referenzpunkte sind vor allem Marine Le Pen, die AfD oder Victor Orban.´ Dessen muss man sich bewusst sein.“Mit Blick auf die Europawahlen 2019 rät Kanter daher, dass sich die moderaten politischen Kräfte schleunigst eine überzeugende Strategie überlegen sollten.